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Byzantinismus

Byzantinismus, mit diesem Ausdruck geißelt man etwa seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts vorzugsweise den übertriebenen Kultus von Fürstlichkeiten, im weiteren Sinne alle unwürdige Schmeichelei und Unterwürfigkeit gegenüber hochgestellten Persönlichkeiten. Man bezieht sich mit dem Schlagwort (frz. le byzantinisme) auf die Zustände im byzantinischen Reich und zumal am damaligen Kaiserhof. Scheffel schreibt am 6. Dez. 1866 an Ed. Dössekel: „Die schlichte kräftige Ordnung in der Schweiz ist noch nicht so zersetzt von Charakterlosigkeit, byzantinischem Wesen und frivolem Kastengeist, wie die neudeutschen Zustände". Lagarde redet S. 224 (1878) von der „Vermittlungstheologie irgend eines hochamtlichen Byzantinismus“. Eingehend charakterisiert Nordau, Die konv. Lügen (1883) S. 108 diese Entartung der Vornehmen und Gebildeten: „Dieser Byzantinismus ist und bleibt bewußte Lüge. Er hat keine Wurzel im Gemüt. Er ist eine Komödie, in der jeder Einzelne für ein Spielhonorar mitwirkt; der eine für Ämter und Würden, der andere für Titel und Ehrenzeichen, der dritte aus einem politischen Grund, weil ihm das Königtum augenblicklich noch fürs Volkswohl oder für seine eigenen Standesinteressen nötig scheint, alle miteinander aber für einen unmittelbaren oder mittelbaren Vorteil.“ Die höhnische Bildung „liberaler Byzantiner“ erscheint z. B. bei Harden, Apost. 1, 30 (1891). Vgl. Sanders, Fremdw. 1, 182.