Bildungsphilister
Bildungsphilister ist ein durch Friedrich Nietzsche berühmt gewordenes Kampfwort, der in seiner Streitschrift „David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller“ (1873) damit zunächst den bekannten Forscher und dann überhaupt alle treffen wollte, die in satter Selbstgenügsamkeit auf ihre Kultur und Bildung pochten. Den Anstoß gab Straußens Schrift „Der alte und der neue Glaube“ (Leipzig 1872). Vergl. Meyer S. 74 und Nietzsches Versicherung 3, 4.
Nietzsche sucht den Typus des Bildungsphilisters in seiner ganzen Oberflächlichkeit und Überhebung bloßzustellen, indem er darauf hinweist, dass er selbst es liebe, sich feierlich gegen Philisterhaftigkeit zu verwahren, während gerade das gleichförmige Gepräge in allen öffentlichen Institutionen, zumal in religiösen und künstlerischen Fragen, nichts als stillose Barbarei sei. So urteilt er 1, 186: „Diese Macht, diese Gattung von Menschen will ich bei Namen nennen — es sind die Bildungsphilister. Das Wort Philister ist bekanntlich dem Studentenleben entnommen und bezeichnet in seinem weiteren, doch ganz populären Sinne den Gegensatz des Musensohnes, des Künstlers, des echten Kulturmenschen. Der Bildungsphilister aber — unterscheidet sich von der allgemeinen Idee der Gattung „Philister“ durch Einen Aberglauben: er wähnt selber Musensohn und Kulturmensch zu sein.“ Vergl. Nietzsche 10, 475 (Nov. 1873) „Bildungskosak“ und 12, 18 (1881—82) die Bemerkung über „Hellwald, Häckel und Konsorten’: „Bildungskamele, auf deren Höckern viele gute Einsichten und Kenntnisse sitzen, ohne zu hindern, dass das Ganze doch eben nur ein Kamel ist.“
Mag deshalb auch das Schlagwort schon vorher auftauchen, wie Gombert ZfdW. 2, 61 f. bestimmt behauptet, der auch den gleichbedeutenden Kulturphilister aus früherer Zeit beibringt, seine Wichtigkeit darf man getrost erst seit Nietzsche datieren Doch möchte ich seinen Hinweis auf Leo durch eine Stelle aus dem Kladd. 1856, 167 genauer noch illustrieren, aus der sich ergibt, dass dieser polemische Schriftsteller in der Tat dem Schlagwort kräftig vorgearbeitet hat: „Leos „neuestes Wörterbuch für Schimpf und Schande“ ist endlich zur Freude des skrofulösen Gesindels wieder um die schönen Saftwörter „Kirchenpöbel, Bildungsdr…, Verbreiung und Bildungsjude“ vermehrt worden. Recht baldige und fleißige Fortsetzung im Interesse der Straßenjugend wünscht und fordert: Grobian.“ Siehe auch Kladd. 1866, 31: Bildungsplebs.