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[Metaphorik]

Je nachdrücklicher ein Vers sich als Sentenz einprägen will, desto reicher pflegt der Dichter ihn mit Namen von Dingen auszustatten, die der emblematischen Schilderei des Gemeinten entsprechen. Das Requisit, dessen Bedeutung im Barocktrauerspiel angelegt ist, bevor sie mit der Befugnis des Schicksalsdramas offenkundig wird, tritt in der Form der emblematischen Metapher im siebzehnten Jahrhundert schon aus der Latenz. In einer Stilgeschichte dieser Zeit — die Erich Schmidt zwar plante, aber nicht verwirklicht hat1 — wäre mit den Belegen dieser Bildmanier ein stattliches Kapitel anzufüllen. In ihnen allen ist die überwuchernde Metaphorik, der »ausschließlich sinnliche Charakter«2 der Redefiguren einer Neigung zur allegorischen Ausdrucksweise, nicht aber einer viel berufenen ›poetischen Sinnlichkeit‹ zuzurechnen, weil gerade die entwickelte Sprache, und zwar auch die poetische, die ständige Betonung eines Metaphorischen, das ihr zugrunde liegt, vermeidet. Doch auf der andern Seite »das Prinzip ..., die Sprache eines Teiles ihres sinnlichen Charakters zu entkleiden, sie abstrakter zu gestalten« als solches, »das sich bei Bestrebungen, die Sprache feinerem geselligen Verkehr dienstbar zu machen, stets offenbart«3 in jener ›modischen‹ Manier zu reden aufzusuchen, ist ebenso verkehrt und eine irrige Verallgemeinerung von einem Grundsatz ›alamodischer‹ Stutzersprache auf die ›modische‹ der damaligen großen Poesie. Denn das Preziöse dieser, wie überhaupt barocker Ausdrucksweise liegt zum großen Teile in dem extremen Rückgang auf die Worte für Konkreta. Und die Manie, dergleichen einzusetzen einerseits, die elegante Antithetik andrerseits zu zeigen, ist so entschieden, daß dem Abstraktum, wenn es denn schon unvermeidlich scheint, ganz ungemein oft das Konkretum dergestalt beigegeben ist, daß neue Worte Zustandekommen. So: »Verleumbdungs-Blitz«4, »Hoffahrts-Gifft«5, »Unschulds-Zedern«6, »Freundschaffts-Blut«7. Oder: »So weil auch Mariamn' als eine Natter beißt | Und mehr die Zwietrachts-Gall' als Friedens-Zucker liebet.«8 Triumphierend erweist sich das Gegenstück solcher Anschauungsweise, wo die bedeutende Aufteilung eines Lebendigen in die disiecta membra der Allegorie gelingt, so wie in einem Bilde des Hoflebens bei Hallmann. »Es hat Theodoric auch auff dem Meer geschifft/ | Wo statt der Wellen/ Eiß; des Saltzes/ heimlich Gifft/ | Der Ruder/ Schwerd und Beil; der Seegel/ Spinneweben; | Der Ancker/ falsches Bley/ des Nachens Glaß umgeben.«9 »Jeder Einfall« heißt es sehr treffend bei Cysarz, »wird zum Bild platt gewalzt, sei er auch noch so abstrakt, und dieses Bild wird dann in Worte gestanzt, sei es auch noch so konkret.«10 Unter den Dramatikern unterliegt keiner dieser Manier wie Hallmann. Sie verdirbt ihm das Konzept seiner Dialoge. Denn kaum stellt irgendeine Kontroverse sich ein, so ist sie auch im Hamdumdrehen schon vom einen oder anderen Unterredner in ein Gleichnis verwandelt, das durch viele Repliken, mehr oder weniger variiert, fortwuchert. Mit der Bemerkung »Der Tugenden Pallast kan Wollust nicht beziehn« beleidigt Sohemus den Herodes schwer: und der, weit entfernt diese Beschimpfung zu ahnden, versinkt bereits in die Allegorie: »Man siehet Eisen-Kraut bey edlen Rosen blühn.«11 So verdunsten vielfach die Gedanken in Bildern.12 Auf einige der ungeheuerlichen Sprachgebilde, zu denen insbesondere diesen Dichter die Jagd nach den ›concetti‹ führte, ist von so manchen Literarhistorikern gewiesen worden.13 »Mund und Gemüthe stehn in einem Meineids-Kasten | Dem hitz'ger Eifer nun die Riegel loß gemacht.«14 »Seht/ wie dem Pheroras das traur'ge Sterbe-Kleid | Im Gifft-Glas wird gereicht.«15 »Imfall die Warheit kan der Greuel-That erhell'n/ | Daß Mariamnens Mund unreine Milch gesogen | Aus Tyridatens Brust/ so werde stracks vollzogen/ | Was Gott und Recht befihlt/ und Rath und König schleußt.«16 Gewisse Worte, bei Hallmann zumal »Comet«, finden groteske allegorische Verwendung. Um Unheilvolles, das im Schlosse zu Jerusalem sich zuträgt, zu kennzeichnen, bemerkt Antipater, daß »die Cometen sich in Salems Schloß begatten«17. Stellenweise scheint dies Bilderwesen kaum mehr regiert und das Dichten in Gedankenflucht auszuarten. Ein Musterstück dieser Art stellt Hallmann: »Die Frauen-List: Wenn meine Schlang' in edlen Rosen lieget/ | Und Züngelnd saugt den Weißheits-vollen Safft/ | Wird Simson auch von Delilen besieget/ | Und schnell beraubt der überird'schen Krafit: | Hat Joseph gleich der Juno Fahn getragen/ | Herodes ihn geküßt auff seinem Wagen/ | So schaut doch/ wie ein Molch18 diß Karten-Blat zerritzt/ | Weil ihm sein Eh-Schatz selbst durch List die Bahre schnitzt.«19 In der »Maria Stuarda« des Haugwitz bemerkt — sie spricht von Gott — eine Kammerfrau zur Königin: »Er treibt die See von unsern Hertzen/ | Daß derer Wellen stoltzer Guß | Uns offt erziehlet heisse Schmertzen/ | Doch ist es nur der Wunder-Fluß/ | Durch dessen unbegreifflichs regen/ | Sich unsers Unglücks Kranckheit legen.«20 Das ist ebenso dunkel und ebenso reich an Anspielungen wie die Psalmdichtung von Quirinus Kuhlmann. Die rationalistische Kritik, die diese Dichtungen in Acht und Bann tut, setzt mit Polemik gegen ihre sprachliche Allegorese ein. »Welche hieroglyphische und Rätzelmässige Dunckelheit schwebet über dem gantzen Ausdruck«21, heißt es von einer Stelle der Lohensteinschen »Cleopatra« in Breitingers »Critischer Abhandlung von der Natur, den Absichten und dem Gebrauche der Gleichnisse«. »Er hüllet die Begriff' in Gleichniß und Figur | als einen Kerker ein«22 bemerkt im gleichen Sinne Bodmer gegen Hofmannswaldau.



  1. Cf. Erich Schmidt l.c. [S. 87 f.]. S. 414.
  2. Kerckhoffs l.c. [S. 217]. S. 89.
  3. Fritz Schramm: Schlagworte der Alamodezeit. Straßburg 1914. (Zeitschrift für deutsche Wortforschung. Beiheft zum 15. Bd.) S. 2; cf. auch S. 31 f.
  4. Hallmann: Trauer-, Freuden- und Schäferspiele l.c. [S. 58]. ›Mariamne‹ S. 41 (III, 103).
  5. L.c. ›Mariamne‹ S. 42 (III, 155).
  6. L.c. ›Mariamne‹ S. 44 (III, 207).
  7. L.c. ›Mariamne‹ S. 45 (III, 226).
  8. L.c. ›Mariamne‹ S. 5 (I, 126 f.).
  9. L.c. ›Theodoricus Veronensis‹ S. 102 (V, 285 ff.).
  10. [Zitat an der in a angegebenen Stelle bei Cysarz (vgl. S. 39) nicht nachweisbar.]
  11. Hallmann: Trauer-, Freuden- und Schäferspiele l.c. [S. 58]. ›Mariamne‹ S.65 (IV, 397 f.).
  12. Cf. l.c. ›Mariamne‹ S. 57 (IV, 132 ff.).
  13. Cf. Stachel l.c. [S. 47]. S. 336 ff.
  14. Hallmann: Trauer-, Freuden- und Schäferspiele l.c. [S. 58]. ›Mariamne‹ S. 42 (in, 160 f.).
  15. L.c. ›Mariamne‹ S. 101 (V, 826 f.).
  16. L.c. ›Mariamne‹ S. 76 (V, 78).
  17. L.c. ›Mariamne‹ S. 62 (TV, 296); cf. ›Mariamne‹ S. 12 (I, 351), S. 38 f. (III, 32 u. 59), S. 76 (V, 83) u. S. 91 (V, 516); ›Sophia‹ S. 9 (I, 260); Hallmann: Leichreden l.c. (S. 81). S. 497.
  18. Möglicherweise für: Dolch. [Anm. Benjamins]
  19. L.c. ›Mariamne‹ S. 16 (I, 449 ff.).
  20. Haugwitz l.c. [S. 52 f.]. ›Maria Stuarda‹ S. 35 (II, 125 ff.).
  21. Breitinger l.c. (S. 86). S. 224; cf. S. 462 sowie Johann Jacob Bodmers Critische Betrachtungen über die Poetischen Gemähide Der Dichter. Mit einer Vorrede von Johann Jacob Breitinger. Zürich, Leipzig 1741. S. 107 u. S. 425 ff.
  22. J[ohann] J[acob] Bodmers Gedichte in gereimten Versen, Mit J. G. Schuldheissen Anmerkungen; Dazu kommen etliche Briefe. Zweyte Auflage. Zürich 1754. S. 32.