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Antinomie der reinen Vernunft

Antinomie der reinen Vernunft. Eine Antinomie ist ein Widerstreit zwischen zwei Sätzen, deren jeder als richtig, wahr, beweisbar erscheint. Die Antinomien der reinen Vernunft sind Widersprüche, in die sich die Vernunft selbst verwickelt, indem sie das Unbedingte (s. d.) zu denken bestrebt ist. Diese Antinomien bestehen aber nur so lange, als man dogmatisch spekuliert. Die Kritik hingegen zeigt, daß das Unbedingte, Absolute, Unendliche innerhalb der Erscheinungswelt, des Erfahrbaren nicht gegeben und nicht erreichbar ist, daß aber die Möglichkeit und Notwendigkeit besteht, bei keiner letzten Grenze stehen zu bleiben, sondern zu immer weiteren Setzungen möglicher Erfahrungen fortzuschreiten. Die empirische Wirklichkeit ist hiernach weder endlich noch unendlich, sondern besteht aus Reihen von Erscheinungen, die sich immer weiter — nach oben wie nach unten hin, im Raum wie in der Zeit und auch der ursächlichen Verknüpfung nach — fortsetzen, als fortsetzbar denken lassen. Thesis und Antithesis der beiden ersten („mathematischen“) Antinomien sind beide falsch. Satz und Gegensatz der beiden letzten („dynamischen“) Antinomien sind beide richtig, da in der Welt der Erscheinungen alles notwendig, determiniert ist, während dasselbe Wirkliche, als „Ding an sich“ betrachtet, Freiheit aufweisen kann, und da ferner kein Glied der Erscheinungsreihe ein Unbedingtes enthält, wobei aber die Erscheinungsreihe selbst in einem durch sich selbst Notwendigen, Absoluten seinen (zeitlosen) Grund haben kann; Kant beseitigt die Antinomien durch seinen kritischen Idealismus, durch die Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich und den Hinweis darauf, daß die Bestandteile der Erscheinungswelt erst und nur in fortschreitender Verknüpfung, in progressiver (bzw. regressiver) Synthese gegeben, wirklich sind. Andererseits ist der kritische Idealismus (s. d.) selbst schon durch die Antinomien bedingt.

Die zweite Klasse der „dialektischen“ Schlüsse geht auf die absolute Totalität (s. d.) der Reihe der Bedingungen zu einer gegebenen Erscheinung. Wir schließen daraus, daß wir von der unbedingten synthetischen Einheit der Reihe auf einer Seite einen sich widersprechenden Begriff haben, auf die Richtigkeit der entgegenstehenden Einheit, wovon wir aber auch keinen Begriff haben. „Den Zustand der Vernunft bei diesen dialektischen Schlüssen werde ich die Antinomie der reinen Vernunft nennen“, KrV tr. Dial. 2. B. am Anf. (I 348—Rc 417). Es besteht hier „eine ganz natürliche Antithetik“, „in welche die Vernunft von selbst, und zwar unvermeidlich gerät“, tr. Dial. 2. B. 2. H. am Anf. (I 373 f.—Rc 498 f.). Ein „Widerstreit der Gesetze (Antinomie)“ besteht in der Anwendung der Vernunft auf die objektive Synthesis der Erfahrungen, ibid. Die transzendentale „Antithetik“ (s. d.) sucht und findet den Punkt des Mißverständnisses, sie zeigt, daß der Gegenstand des Widerstreites ein bloßes Blendwerk ist und daß sich Thesis und Antithesis, Behauptung und Gegenbehauptung in den Antinomien der reinen Vernunft miteinander durchaus vereinbaren lassen — auf dem Boden des Kritizismus, des kritischen Idealismus mit seiner Unterscheidung von Erscheinung und Ding an sich, tr. Dial. 2. B. 2. H. 2. Abs. (I 384 ff.—Rc 509 ff.). Die ganze Antinomie der reinen Vernunft beruht auf dem dialektischen Argumente: „Wenn das Bedingte gegeben ist, so ist auch die ganze Reihe aller Bedingungen desselben gegeben: nun sind uns Gegenstände der Sinne als bedingt gegeben, folglich usw.“ Darauf beruhen die kosmologischen Ideen (s. d.), welche die absolute Totalität der Reihen der Bedingungen postulieren und eben dadurch die Vernunft in Widerstreit mit sich selbst versetzen, ibid. 7. Abs. (1443—Rc 576). Vier Antinomien gibt es. 1. Antinomie. Thesis: „Die Welt hat einen Anfang in der Zeit, und ist dem Raum nach auch in Grenzen eingeschlossen.“ Antithesis: „Die Welt hat keinen Anfang und keine Grenzen im Räume, sondern ist sowohl in Ansehung der Zeit als des Raumes unendlich“, ibid. 2. Abs. (I 388 f.—Rc 514 f.). 2. Antinomie. Thesis: „Eine jede zusammengesetzte Substanz in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert überall nichts als das Einfache oder das, was aus diesem zusammengesetzt ist.“ Antithesis: „Kein zusammengesetztes Ding in der Welt besteht aus einfachen Teilen, und es existiert überall nichts Einfaches in derselben“, ibid. (I 394 f.—Rc 522 f.). 3. Antinomie. Thesis: „Die Kausalität nach Gesetzen der Natur ist nicht die einzige, aus welcher die Erscheinungen der Welt insgesamt abgeleitet werden können. Es ist noch eine Kausalität durch Freiheit zur Erklärung derselben anzunehmen notwendig.“ Antithesis: „Es ist keine Freiheit, sondern alles in der Welt geschieht lediglich nach Gesetzen der Natur“, ibid. (I 402 f.—Rc 530 f.). 4. Antinomie. Thesis: „Zu der Welt gehört etwas, das entweder als ihr Teil, oder ihre Ursache ein schlechthin notwendiges Wesen ist.“ Antithesis: „Es existiert überall kein schlechthin notwendiges Wesen, weder in der Welt, noch außer der Welt, als ihre Ursache“, ibid. (I 410 f.— Rc 538 f.).

Das ist das ganze „dialektische Spiel der kosmologischen Ideen“, denen kein ihnen kongruierender Gegenstand in einer möglichen Erfahrung gegeben werden kann. Es sind „vernünftelnde Behauptungen“. Auf der Seite der Thesis der Antinomien besteht ein praktisches Interesse (der Moral und Religion), dem die Antithesis entgegen zu sein scheint. Auch ein spekulatives (theoretisches) Interesse der Vernunft äußert sich auf der Seite der Thesis; denn man kann a priori „die ganze Kette der Bedingungen fassen und die Ableitung des Bedingten begreifen, indem man vom Unbedingten anfängt“. Drittens hat die Thesis auch den Vorzug der „Popularität“; die Begriffe des „absolut Ersten“ sind dem gemeinen Verstande sehr bequem. Die Antithesis gewährt dem theoretischen Interesse der Vernunft Vorteile, die sehr anlockend sind. Der „Empirismus“ der Antithesis läßt den Verstand ohne Ende dem Zusammenhang und den Gesetzen möglicher Erfahrungen nachgeben, im Gegensatz zum „Platonismus“, der „identischen Erklärungen der Naturerscheinungen“ nachgeht und darüber die „physische Nachforschung“ verabsäumt. Dem gemeinen Verstande ist jener Empirismus nicht bequem, da er nicht gern ins Unendliche fortschreitet, sondern etwas haben will, womit er zuversichtlich anfangen kann, ibid. 3. Abs. (I 418 ff.—Rc 548 ff.).

Es zeigt sich, daß in allen Antinomien die „Weltidee“ für den empirischen Regressus entweder zu groß oder auch zu klein ist. Die kosmologischen Ideen und die Antinomien haben einen „leeren“ und „eingebildeten“ Begriff von der Art, wie uns der Gegenstand dieser Ideen gegeben ist, zugrunde liegen. Den Schlüssel zur Auflösung des dialektischen Scheins gibt der transzendentale Idealismus. Diesem zufolge sind die Gegenstände der Erfahrung niemals an sich, sondern „nur in der Erfahrung“, im Zusammenhang der Wahrnehmungen nach Gesetzen des empirischen Fortgangs von wirklichen zu möglichen Wahrnehmungen gegeben (s. Objekt). Sie sind insofern bloße „Erscheinungen“ (s. d.) in Raum und Zeit, ibid. 6. Abs. (I 437 ff.—Rc 571 ff.). — Wenn das Bedingte gegeben ist, so ist uns eben dadurch ein Regressus in der Reihe aller Bedingungen zu denselben „aufgegeben“. Wenn die Dinge, mit denen wir es im Erkennen zu tun haben, Erscheinungen sind, die als solche nur in (nicht vor) der Erkenntnis gegeben sind, so kann ich nicht sagen: wenn das Bedingte gegeben ist, so sind auch alle Bedingungen (als Erscheinungen) zu denselben gegeben; denn es folgt nicht, „daß, wenn das Bedingte (in der Erscheinung) gegeben ist, auch die Synthesis, die seine empirische Bedingung ausmacht, dadurch mitgegeben und vorausgesetzt sei“, sondern diese findet erst im Regressus statt. Aber man kann sagen, daß ein Regressus zu den Bedingungen, d. h. „eine fortgesetzte empirische Synthesis“ geboten oder aufgegeben sei. Es erhellt, „daß der Obersatz des kosmologischen Vernunftschlusses das Bedingte in transzendentaler Bedeutung einer reinen Kategorie, der Untersatz aber in empirischer Bedeutung eines auf bloße Erscheinungen angewandten Verstandesbegriffs nehme“ (Sophisma figurae dictionis). Es sind daher sowohl die Thesis als die Antithesis der beiden ersten („mathematischen“) Antinomien falsch. Die Welt „existiert weder als ein an sich unendliches, noch als ein an sich endliches Ganzes. Sie ist nur im empirischen Regressus der Reihe der Erscheinungen, und für sich selbst gar nicht anzutreffen“ (vgl. Unendlich). Die Menge der Teile (s. d.) in einer gegebenen Erscheinung ist „an sich weder endlich, noch unendlich“, weil die Teile erst „durch den Regressus der dekomponierenden Synthesis und in demselben“ gegeben werden, welcher Regressus niemals absolut ganz gegeben ist. „Eben das gilt von der Reihe der übereinander geordneten Ursachen, oder der bedingten bis zur unbedingt notwendigen Existenz.“ „So wird demnach die Antinomie der reinen Vernunft bei ihren kosmologischen Ideen gehoben, dadurch, daß gezeigt wird, sie sei bloß dialektisch und ein Widerstreit eines Scheins, der daher entspringt, daß man die Ideen der absoluten Totalität, welche nur als eine Bedingung der Dinge an sich selbst gilt, auf Erscheinungen angewandt hat, die nur in der Vorstellung und, wenn sie eine Reihe ausmachen, im sukzessiven Regressus, sonst aber gar nicht existieren.“ Aus den Antinomien ist dann noch umgekehrt die Idealität der Erscheinungen indirekt zu beweisen, ibid. 7. Abs. (I 444 ff.—Rc 576 ff.).

Der Grundsatz der Totalität (s. d.) bezieht sich also auf kein Maximum der Reihe der Bedingungen, sondern auf ein solches, das bloß im Regressus zu immer höheren Bedingungen aufgegeben ist. Dieser Grundsatz ist, kritisch aufgelöst, kein „Axiom, die Totalität im Objekt als wirklich zu denken“, sondern ein „Problem für den Verstand, also für das Subjekt, um der Vollständigkeit in der Idee gemäß, den Regressus ... anzustellen und fortzusetzen“. Er ist „nur eine Regel, welche in der Reihe der Bedingungen gegebener Erscheinungen einen Regressus gebietet, dem es niemals erlaubt ist, bei einem schlechthin Unbedingten stehen zu bleiben“, aber kein „konstitutives“ (s. d.), die Möglichkeit der Erfahrung bedingendes Prinzip. Er ist nur „ein Grundsatz der größtmöglichen Fortsetzung und Erweiterung der Erfahrung, nach welchem keine empirische Grenze für absolute Grenze gelten muß“; ein „regulatives“ Prinzip, welches nicht sagt, was das Objekt ist, sondern wie der empirische Regressus anzustellen ist, um zu dem vollständigen Begriffe des Objekts zu gelangen, nur eine Regel der „regressiven Synthesis“ im Fortgang zum Unbedingten, das niemals selbst erreicht wird, da es in keiner Erfahrung anzutreffen ist, ibid. 8. Abs. (I 451 f.—Rc 584 ff.). Ist das Ganze in empirischer Anschauung gegeben, so geht der Regressus ins Unendliche (in infinitum); ist nur ein Glied der Reihe gegeben, von welchem der Regressus zur absoluten Totalität fortgehen soll, so geht er in unbestimmte Weite (in indefinitum). In keinem der beiden Fälle wird aber die Reihe der Bedingungen als „unendlich im Objekt gegeben“ angesehen. Sondern: „Wenn das Ganze empirisch gegeben worden, so ist es möglich, ins Unendliche in der Reihe seiner inneren Bedingungen zurückzugehen. Ist jenes aber nicht gegeben, sondern soll durch empirischen Regressus allererst gegeben werden, so kann ich nur sagen: es ist ins Unendliche möglich, zu noch höheren Bedingungen der Reihe fortzugehen“, ibid. (I 455—Rc 589). Es gilt also der Satz, „daß im empirischen Regressus keine Erfahrung von einer absoluten Grenze, mithin von einer Bedingung als einer solchen, die empirisch schlechthin unbedingt sei, angetroffen werden könne. Der Grund davon aber ist, daß eine dergleichen Erfahrung eine Begrenzung der Erscheinungen durch Nichts oder das Leere, ... in sich enthalten müßte, welches unmöglich ist.“ Jede Bedingung muß selbst wieder als empirisch bedingt angesehen werden, es muß stets nach einem höheren Gliede in der Reihe der Bedingungen gefragt werden, ibid. 9. Abs. I (I 458—Rc 591 f.). Es ergibt sich hieraus 1. „Die Welt hat keinen ersten Anfang der Zeit und keine äußerste Grenze dem Räume nach.“ „Aller Anfang ist in der Zeit, und alle Grenze des Ausgedehnten im Räume. Raum und Zeit aber sind nur in der Sinnenwelt. Mithin sind nur Erscheinungen in der Welt bedingterweise, die Welt aber selbst weder bedingt noch auf unbedingte Art begrenzt“, ibid. (I 460 ff.— Rc 594 ff.). 2. Der Raum (und der Körper) ist „ins Unendliche teilbar, ohne doch aus unendlich viel Teilen zu bestehen“, ibid. 9. Abs. II (I 463—Rc 597). Während bei den „mathematischen“ Ideen, Reihen und Antinomien nur gleichartige „sinnliche“ Bedingungen in Frage kommen, d. h. die selbst Teile der Reihe sind, lassen die „dynamischen“ Reihen sinnlicher Bedingungen noch eine ungleichartige, nichtsinnliche, „intelligible“ Bedingung zu, die außer der Reihe liegt, also nicht selbst Erscheinung ist. Während in den beiden mathematischen Antinomien, dogmatisch aufgefaßt, Thesis und Antithesis falsch sind, können sie in den zwei dynamischen Antinomien beide wahr sein, nämlich die Thesis als von Dingen an sich gültig, die Antithesis von Erscheinungen, ibid. 9. Abs. II Schlußanmerk. (I 465 ff.—Rc 599 ff.). Der „intelligible Charakter“ (s. d.) ist frei, der empirische determiniert (s. Freiheit); die Dinge der Sinnenwelt sind alle zufällig, haben nur eine empirisch bedingte Existenz, während der ganzen Reihe ein nichtempirisches, unbedingt notwendiges Wesen zugrunde liegt, ibid. 9. Abs. III (I 469ff.—Rc 603ff.); vgl. Notwendigkeit.

Bei den ersten beiden Antinomien besteht die Falschheit darin, „daß, was sich widerspricht (nämlich Erscheinung als Sache an sich selbst), als vereinbar in einem Begriff vorgestellt wurde“. In den dynamischen Antinomien wird das, was vereinbar ist, als widersprechend vorgestellt, Prol. § 53 (III 111). Die Widersprüche der Antinomien fallen weg, wenn man zeigt, daß das gänzlich Unbedingte unter Erscheinungen nicht statthat, nur bei Dingen an sich, ioid. Beil. III Kant an Garve 21. Anm. (III 194).

„Wenn wir ... in der aufsteigenden Reihe vom Bedingten zu den Bedingungen in einem Weltganzen fortschreiten, um zum Unbedingten zu gelangen, so finden sich folgende wahre oder bloß scheinbare Widersprüche der Vernunft mit ihr selbst in der neoretisch-dogmatischen Erkenntnis eines gegebenen Weltganzen hervor. Erstlich nach mathematischen Ideen der Zusammensetzung oder Teilung des Gleichartigen; zweitens nach den dynamischen der Gründung der Existenz des Bedingten auf die un bedingte Existenz. 1. In Ansehung der extensiven Größe der Welt in Messung derselben, d. i. der Hinzutuung der gleichartigen und gleichen Einheit als des Maßes, einen bestimmten Begriff von ihr zu bekommen, und zwar a) von ihrer Raumes- und b) von ihrer Zeitgröße, sofern beide gegeben sind, die letzte also die verflossene Zeit ihrer Dauer messen soll, von welchen beiden die Vernunft mit gleichem Grunde, daß sie unendlich und daß sie doch nicht unendlich, mithin endlich sei, behauptet. Der Beweis aber von beiden kann — welches merkwürdig ist! — nicht direkt, sondern nur apagogisch, d. i. durch Widerlegung des Gegenteils geführt werden.“ Satz und Gegensatz der ersten beiden Antinomien sind falsch, führen zu Widersprüchen. „Denn ist die Welt, sowie der Raum und die verflossene Zeit, die sie einnimmt, als unendliche Größe gegeben, so ist sie eine gegebene Größe, die niemals ganz gegeben werden kann, welches sich widerspricht. Besteht jeder Körper oder jede Zeit in der Veränderung des Zustandes der Dinge aus einfachen Teilen, so muß, weil Raum sowohl als Zeit ins Unendliche teilbar sind (welches die Mathematik beweiset), eine unendliche Menge gegeben sein, die doch ihrem Begriffe niemals ganz gegeben sein kann, welches sich gleichfalls widerspricht“, Fortschr. d. Metaph. 2. Abs. 2. St. (V 3, 117f.).

Ebenso bestellt ist es mit der zweiten Klasse der Ideen. Die beiden letzten Antinomien sind die „dynamischen“: 1. Es ist keine Freiheit, sondern alles geschieht nach Naturnotwendigkeit. — Einige Begebenheiten müssen durch Freiheit möglich sein. 2. In der Reihe der Ursachen ist nicht alles zufällig, es gibt ein schlechterdings notwendig existierendes Wesen. — Kein uns immer denkbares Wesen kann als schlechthin notwendige Ursache anderer Weltwesen gedacht werden, ibid. (V 3, 119).

Eine Ausflucht aus den Antinomien ist nur durch die Annahme möglich: „Die Gegenstände in Raum und Zeit, als Objekte möglicher Erfahrung, sind nicht als Dinge an sich selbst, sondern als bloße Erscheinungen anzusehen, deren Form auf der subjektiven Beschaffenheit unserer Art sie anzuschauen beruht.“ „Die Antinomie der reinen Vernunft führt also unvermeidlich auf jene Beschränkung unserer Erkenntnis zurück und, was in der Analytik vorher a priori dogmatisch bewiesen worden war, wird hier in der Dialektik gleichsam durch ein Experiment der Vernunft, das sie an ihrem eigenen Vermögen anstellt, unwidersprechlich bestätigt. In Raum und Zeit ist das Unbedingte nicht anzutreffen, was die Vernunft bedarf, und es bleibt dieser nichts als das immerwährende Fortschreiten zu Bedingungen übrig, ohne Vollendung desselben zu hoffen.“ „Der Widerstreit dieser ... Sätze ist nicht bloß logisch, der analytischen Entgegensetzung (contradictorie oppositorum), d. i. ein bloßer Widerspruch; denn da würde, wenn einer derselben wahr ist, der andere falsch sein müssen und umgekehrt, z. B. die Welt ist dem Raum nach unendlich, verglichen mit dem Gegensatze: sie ist im Raume nicht unendlich; sondern ein transzendentaler der synthetischen Opposition (contrarie oppositorum), z. B. die Welt ist dem Raume nach endlich, welcher Satz mehr sagt, als zur logischen Entgegensetzung erfordert wird; denn er sagt nicht bloß, daß im Fortschreiten zu den Bedingungen das Unbedingte nicht angetroffen werde, sondern noch, daß diese Reihe der einander untergeordneten Bedingungen dennoch ganz ein absolutes Ganzes sei; welche zwei Sätze darum alle beide falsch sein können.“ Ferner „können Satz und Gegensatz auch weniger enthalten, als zur logischen Entgegensetzung erfordert wird und so beide wahr sein — wie in der Logik zwei einander bloß durch Verschiedenheit der Subjekte entgegengesetzte Urteile (judicia subcontraria) —, wie dieses mit der Antinomie der dynamischen Grundsätze sich in der Tat so verhält, wenn nämlich das Subjekt der entgegengesetzten Urteile in beiden in verschiedener Bedeutung genommen wird“ (als Erscheinung — als Ding an sich), ibid. (V 3, 120 f.). Schließlich führt die Antinomie, welche „den skeptischen Stillstand der reinen Vernunft notwendig zu bewirken scheint“, „vermittels der Kritik auf dogmatische Fortschritte derselben, wenn es sich nämlich hervortut, daß ein solches Noumenon als Sache an sich wirklich und selbst nach seinen Gesetzen, wenigstens in praktischer Absicht, erkennbar ist, ob es gleich übersinnlich ist“. „Freiheit der Willkür ist dieses Übersinnliche, welches durch moralische Gesetze nicht allein als wirklich im Subjekt gegeben, sondern auch in praktischer Rücksicht in Ansehung des Objekts bestimmend ist, welches in theoretischer gar nicht erkennbar sein würde, welches denn der eigentliche Endzweck der Metaphysik ist“, ibid. (V 3, 121).

Die Antinomien haben Kant aus dem „dogmatischen Schlummer“ erweckt und zur Kritik der reinen Vernunft getrieben, „um den Skandal des scheinbaren Widerspruches der Vernunft mit ihr selbst zu heben“, An Garve, 21. Sept. 1798; vgl. N 6418.