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Angeboren

Angeboren. Das A priori (s. d.) ist nicht im Sinne des Angeborenen zu verstehen. Die Verstandesbegriffe sind zwar in der "Natur des reinen Verstandes selbst" zu suchen, aber "nicht als angeborene Begriffe, sondern aus den dem Geiste eingepflanzten Gesetzen abstrahiert (indem man bei Gelegenheit der Erfahrung auf seine Tätigkeit achtet), folglich erworben", Mund. sens. § 8 (V 2, 100).

Endlich erhebt sich gleichsam von selbst in jedem die Frage, ob beide Begriffe (Raum und Zeit) angeboren oder erworben seien. Das letztere scheint zwar durch die Beweisführung bereits widerlegt; allein auch das erstere darf nicht so ohne weiteres zugelassen werden, weil es der Philosophie der Faulen den Weg bahnt, die jede weitere Untersuchung durch Berufung auf eine erste Ursache für überflüssig erklärt. Indes sind beide Begriffe unzweifelhaft erworben, freilich nicht von der Empfindung der Gegenstände ( von den Gegenständen der Sinne") abstrahiert (denn die Empfindung gibt nur den Stoff, nicht die Form der menschlichen Erkenntnis), sondern von der Tätigkeit der Seele selbst, welche nach ewigen Gesetzen ihre Empfindungen ordnet, als eine unwandelbare Grundform, die deshalb auf dem Wege der Anschauung zu erkennen ist. Denn die Empfindungen erwecken diese Tätigkeit des Geistes, aber sie beeinflussen nicht die Anschauung, und angeboren ist hier nur das Gesetz der Seele, nach dem sie das infolge der Gegenwart des Gegenstandes von ihr Empfundene in bestimmter Weise verbindet", ibid. § 15 Folgerung (V 2, 114f.).

"Es steckt etwas Großes und, wie mich dünkt, sehr Richtiges in dem Gedanken des Herrn von Leibniz: Die Seele befaßt das ganze Universum mit ihrer Vorstellungskraft, obgleich nur ein unendlich kleiner Teil dieser Vorstellungen klar ist. In der Tat müssen alle Arten von Begriffen nur auf der inneren Tätigkeit unseres Geistes als auf ihrem Grunde beruhen. Äußere Dinge können wohl die Bedingung enthalten, unter welcher sie sich auf eine oder andere Art hervortun, aber nicht die Kraft, sie wirklich hervorzubringen. Die Denkungskraft der Seele muß Realgründe zu ihnen allen enthalten, soviel ihrer natürlicherweise in ihr entspringen sollen, und die Erscheinungen der entstehenden und ver gehenden Kenntnisse sind allem Ansehen nach nur der Einstimmung oder Entgegensetzung aller dieser Tätigkeit beizumessen", Neg. Groß. 3. Abs. 3 (V 1. 108).

Die Kritik der reinen Vernunft "erlaubt schlechterdings keine anerschaffenen oder angeborenen Vorstellungen, alle insgesamt, sie mögen zur Anschauung oder zu Verstandesbegriffen gehören, nimmt sie als erworben an. Es gibt aber auch eine ursprüngliche Erwerbung (wie die Lehrer des Naturrechts sich ausdrücken), folglich auch dessen, was vorher noch nicht existiert, mithin keiner Sache vor dieser Handlung angehört hat. Desgleichen ist, wie die Kritik behauptet, erstlich die Form der Dinge im Raum und der Zeit, zweitens die synthetische Einheit des Mannigfaltigen in Begriffen; denn keine von beiden nimmt unser Erkenntnisvermögen von den Objekten als in ihnen an sich selbst gegeben her, sondern bringt sie aus sich selbst a priori zustande. Es muß aber doch ein Grund dazu im Subjekte sein, der es möglich macht, daß die gedachten Vorstellungen so und nicht anders entstehen und noch dazu auf Objekte, die noch nicht gegeben sind, bezogen werden können, und dieser Grund wenigstens ist angeboren." Der "Grund der Möglichkeit der sinnlichen Anschauung" ist kein "Bild", sondern ist "die bloße eigentümliche Rezeptivität des Gemüts, wenn es von etwas (in der Empfindung) affiziert wird, seiner subjektiven Beschaffenheit gemäß eine Vorstellung zu bekommen. Dieser erste formale Grund z. B. der Möglichkeit einer Raumesanschauung ist allein angeboren, nicht die Raumvorstellung selbst. Denn es bedarf immer Eindrücke, um das Erkenntnisvermögen zuerst zu der Vorstellung eines Objekts (die jederzeit eine eigene Handlung ist) zu bestimmen. So entspringt die formale Anschauung, die man Raum nennt, als ursprünglich erworbene Vorstellung (der Form äußerer Gegenstände überhaupt), deren Grund gleichwohl (als bloße Rezeptivität) angeboren ist und deren Erwerbung lange vor dem bestimmten Begriffe von Dingen, die dieser Form gemäß sind, vorhergeht; die Erwerbung der letzteren ist acquisitio derivativa, indem sie schon allgemeine transzendentale Verstandesbegriffe voraussetzt, die ebensowohl nicht angeboren, sondern erworben sind, deren acquisitio aber, wie jene des Raumes, ebensowohl originaria ist und nichts Angeborenes als die subjektiven Bedingungen der Spontaneität des Denkens (Gemäßheit mit der Einheit der Apperzeption) voraussetzt", Üb. e. Entdeck. 1. Abs. C (V 3, 43ff.). — Das Gute und Böse (s. d.) im Menschen ist bloß in dem Sinne angeboren, als es "vor allem in der Erfahrung gegebenen Gebrauche der Freiheit (in der frühesten Jugend bis zur Geburt zurück) zugrunde gelegt wird und so als mit der Geburt zugleich im Menschen vorhanden vorgestellt wird; nicht, daß die Geburt eben die Ursache davon sei", Rel. 1. St. Anfang (IV 20). Vgl. Anschauungsform, A priori, Raum, Präformation, Kategorie, Begriff.