Zum Hauptinhalt springen

Nieder mit dem Roten Kreuz!

Bei einer Rettungsübung des Roten Kreuzes ist unter den Klängen eines Militärmarschs ein kleiner Junge ertrunken.

Und als sich der Schwarm verlaufen hatte, wards still in der Runde, und es ist nichts geschehen. Die Fäden, an denen dieses rote Kreuz schaukelt, reichen zu hoch hinauf.

Daß eine große Organisation einmal Pech hat, dass in einem solchen Rahmen auch Fahrlässigkeiten vorkommen können, wäre keiner öffentlichen Behandlung wert, wenn nicht etwas Grundsätzliches dahintersteckte.

Das Rote Kreuz ist eine durchaus wilhelminische Einrichtung geblieben.

In den leitenden Stellen wimmelt es von Adligen, von ehemaligen hohen Militärs und andern Rentenempfängern, von Oberstabsärzten, von Leuten, die aus dem Kriege her in unangenehmster Erinnerung sind. Der Damenflor setzt sich aus Blüten zusammen, die viel zu wenig karikiert werden: diese maßlos hochmütige, egoistische, rafferische Kastenfrau, die alles vom Staat beansprucht, weil sie ihn als ihr gehörig ansieht, und ihm nichts gibt als ein Rudel Jungen, die Mamachen flott imitieren. Es ist das jene Gattung, für die Wohltun Zinsen bringt – 6 Prozent –, und die das Almosen dem Armen nur darreicht, wenn der die Hacken zusammenschlägt, also ›eine ordentliche Gesinnung‹ hat. Vorgesetzte einer Nation, die sich still und dämlich nachsetzen läßt.

Der Herr Pressechef im Roten Kreuz – wer wäre heute ohne einen solchen! –, der das hier liest, möge nun ja nicht nachsichtig die Achseln zucken und sprechen: »Der bedauerliche Unfall wird zu einigen verallgemeinernden und verhetzenden Angriffen gegen das Rote Kreuz benutzt … « Diese Melodie können wir im Schlaf singen. Es handelt sich hier um den Unfall als Anlaß, einmal einem Gefühl Ausdruck zu geben, das viele teilen. Das Rote Kreuz ist seiner Organisation, seiner Personalzusammensetzung, seiner Fürstenverehrung nach: militärisch, reaktionär, anti-demokratisch.

Man muß also abraten, dieser Einrichtung auch nur einen Groschen zukommen zu lassen. Sie verdient ihn nicht. Wer für die öffentliche Pflege der Unfallsverletzten etwas tun will, der gebe den Arbeiter-Samaritern oder der Roten Hilfe. Nicht dem schwarz-weißroten Kreuz.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 03.08.1926, Nr. 31, S. 193.