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§ 52. Appräsentation als Erfahrungsart mit ihrem eigenen Bewährungsstil

Aber nun erwächst uns das schwierige Problem, verständlich zu machen, wie eine solche Apperzeption möglich ist und nicht vielmehr sofort aufgehoben sein kann. Wie kommt es, daß, wie die Tatsache lehrt, der überschobene Sinn in Seinsgeltung übernommen ist als an dem Körper dort seiender Gehalt psychischer Bestimmungen, während sie doch im Originalitätsbereich der (allein zur Verfügung stehenden) primordialen Sphäre nie als sie selbst sich zeigen können?

Sehen wir uns die intentionale Situation näher an. Die Appräsentation, die das originaliter Unzugängliche des Anderen gibt, ist verflochten mit einer originalen Präsentation (seines Körpers als Stück meiner eigenheitlich gegebenen Natur). In dieser Verflechtung aber ist fremder Leibkörper und fremdes waltendes Ich in der Weise einer einheitlichen tranzendierenden Erfahrung gegeben. Jede Erfahrung ist angelegt auf weitere, die appräsentierten Horizonte erfüllend-bestätigende Erfahrungen, sie beschließen potentiell bewährbare Synthesen einstimmiger Forterfahrung, sie beschließen sie in Form unanschaulicher Antizipation. Hinsichtlich der Fremderfahrung ist es klar, daß ihr erfüllend bewährender Fortgang nur durch synthetisch einstimmig verlaufende neue Appräsentationen erfolgen kann und durch die Art, wie diese ihre Seinsgeltung dem Motivationszusammenhang mit den beständig zugehörigen, aber wechselnden eigenheitlichen Präsentationen verdanken.

Als andeutender Leitfaden für die zugehörige Klärung kann der Satz genügen: Der erfahrene fremde Leib bekundet sich fortgesetzt wirklich als Leib nur in seinem wechselnden, aber immerfort zusammenstimmenden Gebaren, derart, daß diese seine physische Seite hat, die Psychisches appräsentierend indiziert, das nun in originaler Erfahrung erfüllend auftreten muß. Und so im stetigen Wechsel des Gebarens von Phase zu Phase. Der Leib wird als Schein-Leib erfahren, wenn es damit eben nicht stimmt.

In dieser Art bewährbarer Zugänglichkeit des original Unzugänglichen gründet der Charakter des seienden Fremden. Was je original präsentierbar und ausweisbar ist, das bin ich selbst bzw. gehört zu mir selbst als Eigenes. Was dadurch in jener fundierten Weise einer primordial unerfüllbaren Erfahrung, einer nicht original selbstgebenden, aber Indiziertes konsequent bewährenden, erfahren ist, ist Fremdes. Es ist also nur denkbar als Analogon von Eigenheitlichem. Notwendig tritt es vermöge seiner Sinneskonstitution als intentionale Modifikation meines erst objektivierten Ich, meiner primordialen Welt auf: der Andere phänomenologisch als Modifikation meines Selbst (das diesen Charakter mein seinerseits durch die nun notwendig eintretende und kontrastierende Paarung erhält). Es ist klar, daß damit in der analogisierenden Modifikation all das appräsentiert ist, was zur Konkretion dieses Ich zunächst als seine primordiale Welt und dann als das voll konkrete Ego gehört. Mit anderen Worten, es konstituiert sich appräsentativ in meiner Monade eine andere.

Ähnlich ist — um einen lehrreichen Vergleich zu ziehen — innerhalb meiner Eigenheit, und zwar ihrer lebendigen Gegenwartssphäre, meine Vergangenheit nur durch Erinnerung gegeben, und in ihr als das, als vergangene Gegenwart, d. i. als intentionale Modifikation charakterisiert. Die erfahrende Bewährung derselben als Modifikation vollzieht sich dann notwendig in Einstimmigkeitssynthesen der Wiedererinnerung; nur so bewährt sich Vergangenheit als solche. Wie meine erinnerungsmäßige Vergangenheit meine lebendige Gegenwart transzendiert als ihre Modifikation, so ähnlich das appräsentierte fremde Sein das eigene (in dem jetzigen reinen und untersten Sinn des primordial Eigenheitlichen). Die Modifikation liegt beiderseits im Sinne selbst als Sinnesmoment, sie ist Korrelat der sie konstituierenden Intentionalität. So wie sich in meiner lebendigen Gegenwart, im Bereich der inneren Wahrnehmung, meine Vergangenheit konstituiert vermöge der in dieser Gegenwart auftretenden einstimmigen Erinnerungen, so kann sich in meiner primordialen Sphäre durch in ihr auftretende, vom Gehalt derselben motivierte Appräsentationen in meinem Ego fremdes Ego konstituieren, also in Vergegenwärtigungen eines neuen Typus, die ein neuartiges Modifikat als Korrelat haben. Freilich, solange ich Vergegenwärtigungen in meiner eigenheitlichen Sphäre betrachte, ist das zugehörige zentrierende Ich das eine identische Ich-selbst. Zu allem Fremden aber gehört, solange es seinen notwendig mitzugehörigen appräsentierten Konkretionshorizont innehält, ein appräsentiertes Ich, das ich selbst nicht bin, sondern mein Modifikat, anderes Ich.

Eine für unsere Zwecke ausreichende Auslegung der noematischen Zusammenhänge der Fremderfahrung, die für eine volle Aufklärung ihrer konstitutiven Leistung, ihrer Leistung durch konstitutive Assoziation durchaus notwendig sind, ist mit dem bisher Aufgewiesenen noch nicht abgeschlossen. Es bedarf einer Ergänzung, um so weit zu kommen, daß uns von den gewonnenen Erkenntnissen aus Möglichkeit und Tragweite einer transzendentalen Konstitution der objektiven Welt evident und damit der transzendental-phänomenologische Idealismus völlig durchsichtig werden kann.