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$ 43. Die noematisch-ontische Gegebenheitsweise des Anderen als transzendentaler Leitfaden für die konstitutive Theorie der Fremderfahrung

Zunächst habe ich an dem erfahrenen Anderen, so wie er sich mir geradehin und in Vertiefung in seinen noematisch-ontischen Gehalt gibt (rein als Korrelat meines cogito, dessen nähere Struktur erst zu enthüllen ist), den transzendentalen Leitfaden. In der Merkwürdigkeit und Vielfältigkeit dieses Gehaltes zeigt sich schon die Vielseitigkeit und Schwierigkeit der phänomenologischen Aufgabe an. Z. B. die Anderen erfahre ich, und als wirklich seiende, in wandelbaren, einstimmigen Erfahrungsmannigfaltigkeiten, und zwar einerseits als Weltobjekte; nicht als bloße Naturdinge (obschon nach einer Seite auch als das). Sie sind ja auch erfahren als in den ihnen je zugehörigen Naturleibern psychisch waltende. So mit Leibern eigenartig verflochten, als psychophysische Objekte, sind sie in der Welt. Andrerseits erfahre ich sie zugleich als Subjekte für diese Welt, als diese Welt erfahrend, und diese selbe Welt, die ich selbst erfahre, und als dabei auch mich erfahrend, mich, als wie ich sie und darin die Anderen erfahre. So kann ich, nach dieser Richtung fortschreitend, noch vielerlei noematisch auslegen.

Jedenfalls also in mir, im Rahmen meines transzendental reduzierten reinen Bewußtseinslebens, erfahre ich die Welt mitsamt den Anderen und dem Erfahrungssinn gemäß nicht als mein sozusagen privates synthetisches Gebilde, sondern als mir fremde, als intersubjektive, für jedermann daseiende, in ihren Objekten jedermann zugängliche Welt. Und doch, jeder hat seine Erfahrungen, seine Erscheinungen und Erscheinungseinheiten, sein Weltphänomen, während die erfahrene Welt an sich ist gegenüber allen erfahrenden Subjekten und ihren Weltphänomenen.

Wie klärt sich das auf? Unbeirrbar muß ich daran festhalten, daß jeder Sinn, den irgendein Seiendes für mich hat und haben kann, sowohl nach seinem „Was“ als nach seinem „Es ist und ist in Wirklichkeit“ Sinn ist in bzw. aus meinem intentionalen Leben, aus dessen konstitutiven Synthesen, in den Systemen einstimmiger Bewährung sich für mich klärend und enthüllend. Es gilt nun, um für alle erdenklichen Fragen, die überhaupt sinnvoll sein sollen, den Boden der Beantwortung zu schaffen, ja um sie selbst schrittweise zu stellen und zu lösen, mit einer systematischen Entfaltung der offenen und impliziten Intentionalität zu beginnen, in der das Sein der Anderen für mich sich macht und sich nach seinem rechtmäßigen, das ist seinem Erfüllungsgehalt, auslegt.

Das Problem ist also zunächst wie ein spezielles, eben als das des Für-mich-da der Anderen gestellt, als Thema also einer transzendentalen Theorie der Fremderfahrung, der sogenannten Einfühlung. Aber es erweist sich eben alsbald, daß die Tragweite einer solchen Theorie sehr viel größer ist als es zunächst scheint, daß sie nämlich auch mit fundiert eine transzendentale Theorie der objektiven Welt, und zwar ganz und gar, also auch hinsichtlich der objektiven Natur. Zum Seinssinn der Welt und im besonderen der Natur als objektiver gehört ja, wie wir oben schon berührt haben, das Für-jedermann-da, als von uns stets mitgemeint, wo wir von objektiver Wirklichkeit sprechen. Zudem gehören zur Erfahrungswelt Objekte mit geistigen Prädikaten, die ihrem Ursprung und Sinn gemäß auf Subjekte, und im allgemeinen auf fremde Subjekte und deren aktiv konstituierende Intentionalität verweisen: so alle Kulturobjekte (Bücher, Werkzeuge und Werke irgendwelcher Art usw.), die dabei aber zugleich den Erfahrungssinn des Für-jedermann-da mit sich führen (scilicet für jedermann der entsprechenden Kulturgemeinschaft, wie der europäischen, eventuell enger: der französischen etc.).