Unterm Stadtbahnbogen
Hörn Se mal! ich liefer doch
Butter, Gold und noch und noch
Scheine, Schweine per sofort und Ultimo.
Hörn Se mal! Nu is er weg!
Alles geb ich gegen Scheck:
Wurst ab London, ich bin gar nicht so.
Und fragt ihr mich: Wo hast du sie, die Kisten mit dem Vieh?
Ich hab sie unterm Stadtbahnbogen,
wo alle Züge donnernd ziehn,
die Bars, die habn bei mir bezogen,
und drum herum läuft ganz Berlin.
Ich fürcht mich nicht,
denn mir kann nichts passieren.
Ja auf der Eisenbahn, da muß man schmieren.
Ich hab sie unterm Stadtbahnbogen,
du weißt es nur noch nicht, Berlin.
Schließlich bin ich auch ein Mann.
Manchmal geh ich mächtig ran:
Feine Beine fesseln mich in stiller Nacht.
Eine Fürstin kannte ich,
sie ging auf und wider 'n Strich,
dämlich, nämlich: Meine Alte wacht.
Und fragt ihr mich: Wo küßt du sie, die Fürstin mit dem Pli?
Ich hab sie unterm Stadtbahnbogen,
wo donnernd alle Züge ziehn,
ich war ein bißchen ungezogen,
und drum herum lief ganz Berlin.
Es ging nicht mehr expreß
in meinen Jahren,
dann macht ich so, dann ist sie abgefahren.
Ich hab sie unterm Stadtbahnbogen,
du weißt es nur noch nicht, Berlin.
Jede Abendzeitung zeigt,
wer bei uns wohl morgen streikt.
Ofte hoffte ick mir: 'ne Demonstration.
Vorne der Beamten Hauf,
dann die lieben Sowjets drauf
und zum Schluß die Ententekommission.
Und fragt ihr mich: Wann streiken die, die ganze Kompanie?
Ich hätt sie unterm Stadtbahnbogen,
wo donnernd alle Züge ziehn,
so gern gesehn, wie sie da zogen,
und drum herum steht ganz Berlin.
Wir sehn euch gerne gehn,
ihr edlen Recken,
ihr könnt uns alle mal nicht länger necken.
Gingn die da unterm Stadtbahnbogen,
dann wärs uns wohler in Berlin.
Theobald Tiger
Drei-Masken-Verlag, Berlin 1920, S. 2.