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Die Marburger

»Herr Kamerad? –
Die fuffzehn Leute?
Was soll damit?« – »Na so – –, das muß noch heute – –,
am besten gleich.« – Und eine Handbewegung. Fünfzehn trotten,
vom Kolbenschlag getrieben, vorwärts.
Junge Herren, in knapper Uniform der Offiziere,
mit Orden, Ehrenzeichen und Monokel,
daneben her. Die Leute schleppen
sich mühsam weiter. Einer blutet. Viele stöhnen.
Die Herren rauchen, lärmen, lachen, sprechen.
Und leise, einer, von den Offizieren: »An den Straßengraben!«
Und: »Sechste Kompanie nach vorne!
Der Trupp mit den Gefangenen an den Schluß!«
ruft eine Stimme. Aufgerissene Augen …
Sie wehren sich, die Zivilisten. Fliehn?
Sie kennen das. Sie wollen nicht. Und die Studenten
haun mit den Kolben auf gekrümmte Rücken,
»Marsch an den Straßenrand! Ihr wollt nicht? Hunde –!«
Den Korpsstudenten, die, als Offiziere kostümiert,
den Zug begleiten, wird der Kram zu bunt.
»Na, los doch, Kinder! Macht doch Schluß!« –
Und Schüsse hallen durch den Morgennebel.
Geschrei, Gestöhn. Die blutigen Körper rollen
im Staub. Die Leutnants lachen. »So, die sind wir los!
Die sind erledigt –!«

Ihr werdet sie nicht los.
Die Korporalschaft,
die da korrekt und kameradschaftlich
Gericht markierte, ändert nichts daran:
Ihr habt gemordet!
Und ihr habt gekniffen!
Ihr müßt dem Pack Autorität beweisen?
Und hätte einer nun von denen blind-fanatisch
den General und einen nur von euch
erschossen oder auch verwundet –: ein Gericht
wär über diesen Mann hereingebrochen,
dass er gewußt hätt, was er da getan.
Zu Tode! – Zuchthaus! – Zuchthaus! – Glatt zum Tode! –
Und ihr –?
Ihr habt gekniffen.
Besinnt euch plötzlich, dass ihr eigentlich Soldaten,
und dass ein Kriegsgericht da kompetent.
Ein Standgericht? Standesgericht sollts heißen.

Feg sie hinweg, wenn du noch Atem hast!
Volk!
Das werden deine Richter und Beamte!
Volk!
Das darf dich einmal richten und verwalten,
wenns ausstudiert hat!
Volk!
Feg sie hinweg!
Das bunte Öl, das glitzernd
auf deinem Wasser oben schwimmt, ist Dreck.
Und hältst du wieder still und läßt sie schalten:
Sie lachen. Töten. Werden was.
Und alles bleibt beim alten.

Theobald Tiger
Berliner Volkszeitung, 22.06.1920.