Spartakus in Moabit
Sieh da: Justitia!
Voll mit Paragraphen
behängt, so steht wie ehedem sie da.
Sie hat natürlich alles ganz verschlafen
und weiß nicht, was im Lande jetzt geschah.
»Was ist denn uns«, so spricht ein weiser Richter,
»die Politik und die Revolution!
Die Kerle sind Banditen und Gelichter,
Paßt auf, und wir besorgens ihnen schon!«
Ihr weisen und gerechten Richter fauchtet
auf die Empörer – nach mißlungener Tat.
Das Wahlrecht aber, das ihr eben brauchtet,
verdanktet ihr dem gleichen Hochverrat.
Justitia, Trauerweib, du hast geschlafen,
wie stets, wenn wir vom Fleck gekommen sind.
Wir pfeifen auf den Spruch und auf die Strafen!
Reiß deine Binde ab! Du bist ja blind!
Du armes Hascherl kannst nicht unterscheiden,
wer Räuber war und wer Idealist –
Du knobelst ernst und strafst gleich hart die beiden,
weil du zu faul zum Präzisieren bist.
»Noch gilt das Recht! Sie müssen eben hangen!«
Geschichte gilt – und nicht dein Tintenquark.
Willst du dir wegen Ruhestörung langen
die junge Mannschaft da von Langemarck?
Das sei was andres?
Ei, denkst du der Zeiten,
wo du die Adelsfrau im Schwesternkleid,
die stahl, wo du des Schutzmanns Grausamkeiten
fein legtest still bei Seiten –
sie wüßten nichts von der Rechtswidrigkeit?
Straf du die Lumpe bei den Spartakisten.
Steck die ins Zuchthaus, die beim Kampf geklaut
Vergreif dich nicht an den Idealisten!
Wir kennen deine Paragraphenkisten!
Nimm dich in acht, du alte, falsche Haut!
Die Weltbühne, 13.02.1919, Nr. 7, S. 187.