Zum Hauptinhalt springen

Schnipsel

Pro domo. Manchmal finde ich Aufsätze von mir in Zeitungen wieder, Nachdrucke, Auszüge aus meinen Büchern – mitunter versehen mit kleinen kritischen Zusätzen: ich sei ein destruktives Element. Das kann jeder sagen. Doch wenn ich dann das Abgedruckte näher prüfe, dann muß ich oft entdecken, dass ganze Sätze fehlen: den Schlangen sind die Giftzähne herausgebrochen. Nun ist es mir gewiß gleich, wie diese verängstigten Verlagsangestellten ihre Leserschaft einschätzen – weitaus tiefer als es nötig wäre; man glaubt es nicht, was da alles nicht ›tragbar‹ ist. Mir solls recht sein. Aber eine Bitte habe ich an die verehrte Kollegenschaft:

Druckt meine Aufsätze nicht, wenn eure Abonnenten und Inserenten zu fein dafür sind. Laßt mich unzensiert. Ich möchte nicht mit einer Ausgabe für Kinder und Militär herauskommen, bar aller Schärfe, ohne jene Salzkörner, um derentwillen die Speise serviert worden ist. Euern Leuten bekommt das nicht? Dann laßt das ganze Gericht fort. Es ist keine Ehre, bei euch zu erscheinen, und ein Geschäft schon gar nicht. Um wieviel habt ihr die Mitarbeiterhonorare gesenkt? Um ein Drittel, um die Hälfte. Um wieviel euer Abonnement? Um wieviel eure Anzeigenpreise?

Ich mag nicht in jedem einzelnen Fall in Berichtigungen kund und zu wissen tun, dass ihr meine Arbeit verfälscht habt, so wichtig ist das nicht. Aber seid nett: laßt mich zufrieden. Ich kann doch nichts dafür, dass eure Druckereibesitzer solche Angst vor ihrer Kundschaft haben, und mich interessiert es auch nicht. Ich bin gewohnt, zu Lesern zu sprechen, die ein offnes Wort vertragen. Vertragen es eure nicht? Dann setzt ihnen weiterhin reizende kleine Feuilletons vor, bunte Bilder aus der Kinderstube, Modeplaudereien und sanfte Schilderungen vom Wintersport im Harz. Aber druckt mich nicht, wenn ihr meine Arbeiten nicht so abdrucken könnt, wie ich sie geschrieben habe.


Vom Stationsvorsteher aus gesehn sieht der tägliche Abschied der Reisenden an den Zügen recht stereotyp aus. Von der Krankenschwester aus gesehn hat der Tod ein andres Gesicht als vom Trauernden aus gesehn. Alles, was man regelmäßig und berufsmäßig tut, versteinert. Man sollte auch seine eignen Erlebnisse vom Stationsvorsteher aus sehen können.


Du bekommst einen Brief, der dich maßlos erbittert? Beantworte ihn sofort. In der ersten Wut. Und das laß drei Tage liegen. Und dann schreib deine Antwort noch mal.


»Was fällt Ihnen ein! Ich habe für einen Bandwurm und drei unmündige Kinder zu sorgen!«


Das Liebespaar, das sich, von einander entfernt, verabredet, um halb elf Uhr abends an einander zu denken. Keiner tuts. Aber jeder freut sich: wie verliebt der andre doch sei.


Der Pessimist. »Ich werde also eines Tages sterben. Natürlich – das kann auch nur mir passieren!«


Wie schlafen die Leute –?

         

 Eine Frau, allein

     

 im Pyjama

 

 Eine Frau, nicht allein

 

 im Nachthemd

 

 Ein Mann, allein

 

 Nachthemd

 

 Ein Mann, nicht allein

 

 Pyjama.

So eigentümlich ist es im menschlichen Leben. (Protest auf allen Seiten des Hauses.)


Zu einem ganz strengen, ganz bösen Mann am Fahrkartenschalter möchte ich immer sagen: »Na, was haben Sie denn so für Billetts –?«


Im Kriege habe ich einmal diesen Satz gehört: »Die Bohnensuppe ist das Klavier des kleinen Mannes.«


Den meisten Leuten sollte man in ihr Wappen schreiben: Wann eigentlich, wenn nicht jetzt?

Peter Panter
Die Weltbühne, 24.05.1932, Nr. 21, S. 784.