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Zur Geschichte der Schrift

Diese Bemerkungen gelten natürlich nur für die Schrift, die wahrscheinlich von den semitischen Völkern erfunden und viel später bei den indoeuropäischen Völkern eingeführt worden ist, für die Buchstabenschrift, welche an sich noch keine schriftliche Sprache ist, sondern bekanntlich die einzelnen Laute der gesprochenen Sprache zu bezeichnen und so nach einem konventionellen System die flüchtige Lautsprache durch eine sichtbare Zeichensprache dauernd festzuhalten sucht. Gerade das Mechanische an dieser Erfindung ist es, was das organische Wachstum der Sprache hemmen muß, was die Entwicklung verlangsamt.

Es wäre nicht schwer, aus Steinthal, Wuttke und Taylor eine hübsche Geschichte der Schrift abzuschreiben; es sind da die nachweisbaren Übergänge des Alphabets von einem Volke aufs andere sehr interessant und die Vermutungen über die Bilderschriften der Urzeit angenehm zu lesen. Ich möchte aber nur auf drei tiefer liegende Punkte aufmerksam machen, die mir kleine Beiträge zu sein scheinen zur Geschichte der Sprache. Ich habe nämlich zu bemerken geglaubt, erstens dass der konventionelle Charakter der ältesten Bilderschrift eine Ähnlichkeit besitzen müsse mit dem Charakter der ältesten Lautsprache; ich möchte zweitens die Aufmerksamkeit der Fachleute darauf lenken, was in der Seele derjenigen Leute vorgegangen sein mag, die die Sprache ihres Volkes zum erstenmal mit Hilfe eines auswärtigen Alphabets niederschrieben; und ich möchte drittens kurz wenigstens auf den psychologischen Wandel hinweisen, der im Wesen der Sprache durch die Verallgemeinerung der Schrift, durch die Buchdruckerkunst nämlich, vor sich gegangen ist, einen Wandel, der um so schwieriger zu bestimmen ist, als wir uns noch mitten in ihm befinden. Ich bitte um einige Aufmerksamkeit für diesen schwierigen Versuch, dessen Unvollständigkeit und Mangelhaftigkeit mir sicherlich ebenso betrübend ist wie dem Leser.