Iterativum
Nicht so einleuchtend ist es und doch charakteristisch, dass die relativen Zeiten in zweiter Potenz, weil sie sich nicht auf die unmittelbare Gegenwart des Sprechenden beziehen, also keine greifbare Wirklichkeit bezeichnen, leichter zum Ausdrucke der Möglichkeit werden können. Unter die Modi müßte auch der Begriff der Unbestimmtheit gerechnet werden, der — auf die Zeit bezogen — Unbestimmtheit der Dauer oder Unbestimmtheit der Wiederholung sein kann. Hier mischen sich in den Sprachen, welche eine besondere Form des Iterativs haben, Modus und Zeit. Im Deutschen, wo wir das Iterativum schwerfällig durch "ich pflege" oder "ich pflegte" das und das zu tun, ausdrücken müssen, wird der Zeitumstand in das Hilfswort verlegt und dadurch das Zeitmoment der eigentlichen Tätigkeit verwischt; und die Modalität, welche sich in dem Hilfsworte ausdrückt, geht wieder dadurch verloren, dass das Wort die Bedeutung der zeitlichen Wiederholung angenommen hat. Wir denken beim Sprechen nicht mehr daran, dass "pflegen" ursprünglich und noch im vorigen Jahrhundert den lebhaften Anteil an einer Person oder an einem Tun bedeutete und dass es erst in jüngster Zeit den Begriff der Gewohnheit ausdrückt. (Über den Zusammenhang zwischen "pflegen" und "Pflicht" vergleiche man mein "Wörterbuch der Philosophie" II, 418 f.) Die Durchdringung, man kann wohl sagen: das Durcheinander von Zeit und von Interesse, wie die Form des Iterativums es vereinigt, ist also in der deutschen Umschreibung des Iterativums deutlich sichtbar. Manche Sprachen, wie die einiger in der Kultur sehr tief stehenden Negerstämme, besitzen für den Anfang einer Handlung, für die Intensität der Handlung und für das Geschehenlassen einer Handlung besondere Verbalformen, die uns fehlen; sie hätten längst lehren können, dass es nicht im Wesen dieses Redeteils liegt, sondern in einem bequemen Sprachgebrauche, wenn das Verbum in unseren Sprachen Zeitwort geworden ist, das heißt durch seine Formen mit an die subjektive oder objektive, an die in erster oder zweiter Potenz relative Zeit erinnert.