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Berliner Theater

Dies Gesicht, das ich erfasse,
wenn es in den Traum mir dringt:
Zeit, du Scheusal, das ich hasse,
hier erscheinst du ungeschminkt.

Diese Welt ist Teufels Wunder,
Rampenlicht erhellt die Nacht,
und das Leben wurde Plunder,
und das Nichts ward aufgemacht.

Alle Maße sind verschoben,
groß ist klein und kurz ist lang,
und das Ohr vernimmt ein Toben
zu des Wortes Untergang.

Bis zu aller Dinge Wende
ist die Schöpfung durchgeführt.
Hier ist die Natur zu Ende
und der Mensch ist avanciert.

Jetzt und jetzt: gehetzten Ganges
letztes Ziel ist, daß er rennt,
und ein Ding geringsten Ranges
morgen nennt sich’s prominent.

Im Betrieb zeigt jedes Rädchen,
was die Menschmaschine kann:
jeder Knabe ist ein Mädchen,
jedes Mädchen ist ein Mann.

Kritikaster, unberufen,
drängen unten sich zuhauf;
oben steigt auf Zwischenstufen
rastlos die Entwicklung auf.

Das sind so Berliner Bräuche:
oben tobt die Mißgestalt;
unten muntert es die Bäuche,
und sie nennen es geballt.

Das sind so Berliner Sitten:
klafft im Bühnenraum die Kluft,
ramponiert man die Soffitten,
und sie nennen es gestuft.

Nicht so wie bei arme Leute,
alles da, wie sich’s gehört.
Für die Pferdediebe heute
rackern sie das Musenpferd.

Koofmichs, die mit Neustem neppen,
haun die Kunden übers Ohr,
und mit Würfeln und mit Treppen
täuschen sie ein Weltbild vor.

Und sie nennen Atmosphäre
Gasluft, wo kein Gras gedieh.
Mangels eines Felds der Ehre
führt der Korporal Regie.

Alles schiebt und stampft besessen
und die Wirkung ist enorm,
nichts bleibt als das Wort vergessen
in des Rhythmus Uniform.

Alles rennt in wilder Hetze,
was ist los, nanu, wo brennts,
sie zertrampeln schon die Sätze —
Tempo statt des Temperaments.

Seelenreste ohne Reue
raffte dieser Drang dahin.
Verse wirft man vor die Säue
und ihr Grunzen ist Doktrin.

Ich, der Heimat treuer Hasser,
will aus dieser Gegend weg —
blau war nie das Donauwasser,
doch die Spree hat noch mehr Dreck!