§ 11. Das psychologische und das transzendentale Ich. Die Transzendenz der Welt
Halte ich rein, was mir, dem Meditierenden, durch freie epoché hinsichtlich des Seins der Erfahrungswelt in den Blick tritt, so ist es die bedeutungsvolle Tatsache, daß ich und mein Leben in meiner Seinsgeltung unberührt bleiben, wie immer es mit Sein und Nichtsein der Welt stehen, wie immer ich je darüber entscheiden mag. Dieses mir vermöge solcher epoché notwendig verbleibende Ich und sein Ichleben ist nicht ein Stück der Welt, und sagt es: „Ich bin, ego cogito“, so heißt das nicht mehr: Ich, dieser Mensch, bin. Nicht mehr bin ich der sich in der natürlichen Selbsterfahrung als Mensch vorfindende und, in der abstraktiven Einschränkung auf die puren Bestände der inneren, der rein psychologischen Selbsterfahrung, der seine eigene reine mens sive animus sive intellectus vorfindende Mensch bzw. die für sich herausgefaßte Seele selbst. In dieser „natürlichen“ Weise apperzipiert, bin ich und sind alle sonstigen Menschen Themen der im gewöhnlichen Sinne objektiven oder positiven Wissenschaften, der Biologie, Anthropologie, darin beschlossen auch der Psychologie. Das Seelenleben, von dem die Psychologie spricht, ist ja allzeit gemeint gewesen und gemeint als Seelenleben in der Welt. Das gilt offenbar auch von dem eigenen, das in der rein inneren Erfahrung erfaßt und betrachtet wird. Aber die phänomenologische epoché, die der Gang der gereinigten Cartesianischen Meditationen von dem Philosophierenden fordert, inhibiert die Seinsgeltung der objektiven Welt und schaltet sie damit ganz und gar aus dem Urteilsfelde aus, und somit auch die Seinsgeltung, wie aller objektiv apperzipierten Tatsachen, so auch derjenigen der inneren Erfahrung. Für mich, das meditierende Ich, das, in der epoché stehend und verbleibend, sich ausschließlich als Geltungsgrund aller objektiven Geltungen und Gründe setzt, gibt es also kein psychologisches Ich, keine psychischen Phänomene im Sinne der Psychologie, das ist als Bestandstück psychophysischer Menschen.
Durch die phänomenologische epoché reduziere ich mein natürliches menschliches Ich und mein Seelenleben — das Reich meiner psychologischen Selbsterfahrung — auf mein transzendental-phänomenologisches Ich, das Reich der transzendental-phänomenologischen Selbsterfahrung. Die objektive Welt, die für mich ist, die für mich je war und sein wird, je sein kann mit allen ihren Objekten, schöpft, sagte ich, ihren ganzen Sinn und ihre Seinsgeltung, die sie jeweils für mich hat, aus mir selbst, aus mir als dem transzendentalen Ich, dem erst mit der transzendental-phänomenologischen epoché hervortretenden.
Dieser Begriff des Transzendentalen und sein Korrelatbegriff, der des Transzendenten, muß ausschließlich aus unserer philosophisch meditierenden Situation geschöpft werden. Es ist hierbei zu beachten: So wie das reduzierte Ich kein Stück der Welt ist, so ist umgekehrt die Welt und jedes weltliche Objekt nicht Stück meines Ich, nicht in meinem Bewußtseinsleben als dessen reeller Teil, als Komplex von Empfindungsdaten oder Akten reell vorfindlich. Zum eigenen Sinn alles Weltlichen gehört diese Transzendenz, obschon es den gesamten es bestimmenden Sinn, und mit seiner Seinsgeltung, nur aus meinem Erfahren, meinem jeweiligen Vorstellen, Denken, Werten, Tun gewinnt und gewinnen kann — auch den eines evt. evident gültigen Seins, eben aus meinen eigenen Evidenzen, aus meinen begründenden Akten. Gehört zum eigenen Sinn der Welt diese Transzendenz irreellen Beschlossenseins, so heißt dann das Ich selbst, das Welt als geltenden Sinn in sich trägt und von diesem seinerseits notwendig vorausgesetzt ist, im phänomenologischen Sinne transzendental; die aus dieser Korrelation erwachsenden philosophischen Probleme transzendental-philosophische.