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Widerspruch, Satz des Widerspruch

Widerspruch, Satz des Widerspruchs. Der Satz des Widerspruchs ist das negative Kriterium aller Wahrheit (s. d.) von synthetischen Sätzen. Positive Bedeutung hat er nur für die analytischen Urteile (s. d.), weil diese von der Art sind, daß das Prädikat ohne logischen Widerspruch dem Subjekte nicht abgesprochen werden kann, weil es eben schon im Subjekt selbst unentwickelt liegt.

Zu den Vorurteilen, mit denen der Verstand durch „sinnliche Bedingungen“ belastet ist, „an die der Geist gebunden ist. wenn er in gewissen Fällen zu dem Verstandesbegriff gelangen will“, gehört der Satz: „Alles, was unmöglich ist, widerspricht sich“, Mund, sens. § 28 (V 2, 126 f.). Dieser Satz entsteht „durch eine willkürliche Umkehrung des Satzes des Widerspruchs“. „Es klebt aber hier dem ursprünglichen Urteil der Begriff der Zeit insoweit an, als, wenn kontradiktorisch Entgegengesetztes zu gleicher Zeit in demselben Gegenstande gegeben ist, seine Unmöglichkeit klar ist, was dann so ausgesprochen wird: Was zugleich ist und nicht ist, ist unmöglich. Da hier durch den Verstand etwas in einem Falle ausgesagt wird, der gemäß sinnlichen Gesetzen gegeben ist, so ist das Urteil vollkommen wahr und überzeugend. Kehrt man dagegen den gleichen Satz um und sagt: Alles Unmögliche ist und ist zugleich nicht, oder: es enthält einen Widerspruch, so sagt man mittelst der sinnlichen Erkenntnis etwas von einem Vernunftgegenstande allgemein aus und unterwirft so den Verstandesbegriff des Möglichen oder Unmöglichen den Bedingungen der sinnlichen Erkenntnis, nämlich den Zeitbeziehungen; was zwar in Ansehung der Gesetze, an welche der menschliche Verstand gebunden ist und seine Schranke findet, ganz wahr ist, aber objektiv und allgemein in keiner Weise zugegeben werden kann. Unser Verstand nämlich bemerkt die Unmöglichkeit nur, wo er die gleichzeitige Aussage von Entgegengesetztem an dem nämlichen Gegenstande bezeichnen kann, d. h. eben nur da, wo ihm ein Widerspruch begegnet. Überall da also, wo diese Bedingung nicht vorkommt, liegt dem menschlichen Verstand kein Urteil über die Unmöglichkeit ob. Daß es aber darum für keinen Verstand zulässig und somit, was keinen Widerspruch einschließt, deshalb möglich sei, wird irrigerweise geschlossen, indem man die subjektiven Bedingungen des Urteils für objektive hält. Daher die vielen eitlen Erfindungen von, ich weiß nicht welchen, beliebig erdichteten Kräften“, ibid. (V 2, 128 f.); vgl. Kraft. „Der Satz des Widerspruchs in der Fassung: ‚Es ist unmöglich, daß dasselbe Ding zugleich ist und nicht ist‘ ist in Wahrheit nur die Definition des Unmöglichen; denn alles, was sich widerspricht, oder was als zugleich seiend und nicht-seiend vorgestellt wird, heißt unmöglich.“ Dieser Satz ist nicht das oberste Denkprinzip (s. Identität). Denn wie will man behaupten, „daß alle Wahrheiten auf diese Definition wie auf ihren Probierstein zurückgeführt werden müssen? Denn es ist weder nötig, daß jede Wahrheit sich auf die Unmöglichkeit des Gegenteils stütze, noch reicht dies, wenn ich offen sein soll, an sich aus; denn von der Unmöglichkeit des Gegenteils gibt es einen Übergang zur Behauptung einer Wahrheit nur vermittels des Satzes: ‚Alles das, dessen Gegenteil falsch ist, ist wahr‘, welcher Satz also ... sich mit dem Satz des Widerspruchs in die Herrschaft teilt“, N. diluc. 3. Satz (V 1, 9 f.). Die „allgemeine, obzwar nur negative Bedingung aller unserer Urteile überhaupt“ ist, daß sie sich nicht selbst widersprechen, „widrigenfalls diese Urteile an sich selbst (auch ohne Rücksicht aufs Objekt) nichts sind“. Der Satz: „keinem Dinge kommt ein Prädikat zu, welches ihm widerspricht“, heißt der „Satz des Widerspruchs“, und ist „ein allgemeines, obzwar bloß negatives Kriterium aller Wahrheit“, gehört aber auch darum bloß in die Logik und sagt, „daß der Widerspruch sie gänzlich vernichte und aufhebe“. Man kann aber doch von demselben auch einen „positiven Gebrauch machen, d. i. nicht bloß, um Falschheit und Irrtum (sofern er auf dem Widerspruch beruht) zu verbannen, sondern auch Wahrheit zu erkennen“. „Denn wenn das Urteil analytisch ist, es mag nun verneinend oder bejahend sein, so muß dessen Wahrheit jederzeit nach dem Satze des Widerspruchs hinreichend können erkannt werden. Denn von dem, was in der Erkenntnis des Objekts schon als Begriff liegt und gedacht wird, wird das Widerspiel jederzeit richtig verneint, der Begriff selber aber notwendig von ihm bejaht werden müssen, darum, weil das Gegenteil desselben dem Objekte widersprechen würde.“ Daher ist der Satz des Widerspruchs das allgemeine Prinzip, der oberste Grundsatz aller analytischen Urteile, KrV tr. Anal. 2. B. 2. H. 1. Abs. (I 192 f.—Rc 248 f.). Richtig formuliert, nimmt der Satz des Widerspruchs auf Zeitverhältnisse keine Rücksicht, ibid. (I 194—Rc 250). Es ist klar, „daß der Satz des Widerspruchs ein Prinzip ist, welches von allem überhaupt gilt, was wir nur denken mögen, es mag ein sinnlicher Gegenstand sein und ihm eine mögliche Anschauung zukommen oder nicht; weil er vom Denken überhaupt ohne Rücksicht auf ein Objekt gilt. Was also mit diesem Prinzip nicht bestehen kann, ist offenbar nichts (gar nicht einmal ein Gedanke)“, Üb. e. Entdeck. 1. Abs. (V 3, 13). Vgl. Dialektik, Imperativ (Widerspruchslosigkeit des Wollens), Denkgesetze, Wahrheit, Urteile (analytische und synthetische), [Ontologisches Argument](ontologischer-gottesbeweis).