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Aus unbekannten Schriften. Festgabe für Martin Buber zum 50. Geburtstag. ([Mit Beiträgen von] Leo Baeck, Richard Beer-Hofmann, Arthur Bonus [u.a.].) Berlin: Verlag Lambert Schneider 1928. 245 S.

In Schriften wie der vorliegenden, in denen ein Kreis von Freunden bei festlicher Gelegenheit dem Gefeierten seine Widmungsgeschenke versammelt, hat bis vor kurzem noch ein barocker Geschmack geherrscht. Es waren schwere Bände, die in ihren hohen Formaten ein bibliophysisches Denkmal der »Ehrung«, nicht aber eine eigentliche Festgabe waren. Dies Buch jedoch, das Lambert Schneider verlegt, Hegner ganz ausgezeichnet gedruckt hat, ist seiner Gestaltung und seinem Format nach wirklich Gabe, nicht zuletzt dieser beiden Verleger an ihren Autor, der dem einen durch seine Bibelübersetzung, dem andern durch seine Erschließung des chassidischen Schrifttums verbunden ist. Ebenso eindringlich und glücklich wie das schmale Äußere des Bandes ist sein Aufbau im Innern. Die sogenannte Originalität ist, sehr im Sinne des Beschenkten, beiseite geblieben. Und wie man einem Freund bisweilen lieber als eigens Erstandenes etwas aus eigenem Besitz schenkt, eine Sache, an der man schon lange hing, in der man alle Reflexionen und alle Erfahrung, die an ihr haften, dem Empfänger widmet, so sind aus ungelesenen Schriften hier Formeln und Dicta (wie aus den Veden, aus dem Talmud, aus Heraklit und aus Platon) oder längere Abschnitte (wie aus Nicolaus Cusanus, Carus, George Fox) dargebracht worden. Die gute Eingebung, aus der das kam, ist dann noch weiter fruchtbar geworden. Um all die verschollenen oder mißdeuteten Stellen sind kleine Kommentare der Spender erwachsen. Und damit bringt dies Buch in der unaufdringlichsten, natürlichsten Art eine Grundform jüdischen Denkens zur Geltung, in der nun auch einander Fremdes und Abgelegenes als in einem geselligen geistigen Raum miteinander kommuniziert. In diesem Sinne ist die glückliche, beziehungsreiche Wahl des Wolfkehlschen Beitrags – ein althochdeutsches Schlummerlied in einer jüdischen Überlieferung – besonders bezeichnend. Unter den eigentlich jüdischen erscheint – eingeleitet und übertragen von Gerhard Scholem – eine gewaltige Rede des Rabbi Abraham ben Elieser Halewi über den Tod der Märtyrer. Ernst Simon gibt die scharfsinnige, überzeugende Paraphrase einer Talmudstelle, die vorschreibt, sich am Purimfeste zu berauschen, bis man nicht mehr unterscheidet »zwischen dem verfluchten Haman und dem gesegneten Mardechai«. Aus dem Kreis der religiösen Bewegung Südwestdeutschlands, der Buber seit langem verbunden ist, ein theologischer Beitrag von Hermann Herrigel, ein Beitrag des Anglisten Theodor Spira und vor allem ein Selbstzeugnis Florens Christian Rangs, das aus einem Brief über seinen letzten Aufenthalt in Italien von seinem Sohne Bernhard dargebracht ist. Es steht hier am rechten Orte, um alle, die die Gedankenwelt dieses großen Deutschen angeht, an den Dank zu erinnern, den sie dem literarischen Verwalter dieses kostbaren Nachlasses, dem Herausgeber der »Kreatur«, die fortlaufend größere Stücke aus diesem Schatze ans Licht stellt, schulden. Auch das alte Deutschland des 17. und 18. Jahrhunderts ist in Gedanken von Paracelsus, Blumhardt, Goethe, Hölderlin, Brentano gewissermaßen als der große Hintergrund gegeben, von dem hier die gedrängten Köpfe der Neueren sich abheben. Andere Spuren wieder führen ins Prager Judentum, zu Kafka, aus dessen Nachlaß Brod Tagebuchfragmente beisteuert, und zu Thieberger, der eine Erinnerung an Salomon Buber, den berühmten Großvater Martin Bubers, hierhergesetzt hat. Das Buch beschließt ein Stück aus Martin Bubers Dissertation, die Gabe seines Freundes und Mitarbeiters Franz Rosenzweig, in welcher jüdischer Bibliographengeist und Esprit des ancien régime sich auf völlig einmalige Weise verbunden haben.