III. Das ›zum Beispiel‹ in der Analyse


Kommt uns der Patient mit irgendeiner Allgemeinheit, sei es eine Redensart oder eine abstrakte Behauptung, so frage man ihn immer, was ihm zu jener Allgemeinheit speziell einfällt. Diese Frage ist mir so geläufig geworden, daß sie sich fast automatisch einstellt, sobald der Patient allzu allgemein zu reden beginnt. Die Tendenz, vom Allgemeinen zum Speziellen und immer Spezialisierteren überzugehen, beherrscht eben die Psychoanalyse überhaupt; nur diese führt zur möglichst vollkommenen Rekonstruktion der Lebensgeschichte des Patienten, zur Ausfüllung seiner neurotischen Amnesien. Es ist also unrichtig, dem Hange der Patienten nach Generalisierung folgend, das bei ihnen Beobachtete allzufrüh irgendeiner allgemeinen These unterzuordnen. In der richtigen Psychoanalyse ist wenig Raum für moralische oder philosophische Allgemeinheiten; sie ist eine ununterbrochene Folge von konkreten Feststellungen.  

Daß das ›zum Beispiel‹ wirklich das geeignete technische Mittel ist, die Analyse vom Entfernten und Unwesentlichen geradewegs zum Naheliegenden und Wesentlichen hinzuleiten, dazu lieferte mir eine junge Patientin in einem Traume die Bestätigung.  

Sie träumte: »Ich habe Zahnschmerzen und eine geschwollene Backe; ich weiß, daß dies nur gut werden kann, wenn Herr X. (mein einstiger Bräutigam) daran reibt; dazu muß ich aber die Einwilligung einer Dame einholen. Sie gibt mir die Einwilligung wirklich und Herr X. reibt mit der Hand an meiner Backe; da springt ein Zahn heraus, als wäre er soeben gewachsen und als wäre er die Ursache des Schmerzes gewesen.«  

Zweites Traumstück: »Meine Mutter erkundigt sich bei mir darnach, wie es wohl bei der Psychoanalyse zugeht. Ich sage ihr: ›Man legt sich hin und muß hersagen, was einem einfällt.‹ - ›Was sagt man denn?‹ fragt mich die Mutter. - ›Nun eben alles, alles, ohne Ausnahme, was einem durch den Kopf geht.‹ - ›Was geht einem aber durch den Kopf?‹ fragt sie weiter. - ›Alle möglichen Gedanken, auch die unglaublichsten.‹ - ›Was denn zum Beispiel?‹ - ›Zum Beispiel, daß es einem geträumt hat, daß einen der Arzt geküßt und.. .‹, dieser Satz blieb unbeendigt und ich erwachte.«  

Ich will hier nicht in die Einzelheiten der Deutung eingehen, und teile davon nur soviel mit, daß es sich hier um einen Traum handelt, dessen zweites Stück das erste deutet. Die Deutung geht aber ganz methodisch zu Werke. Die Mutter, die hier offenbar die Stelle des Analysierenden einnimmt, begnügt sich nicht mit den Allgemeinheiten, mit denen sich die Träumerin aus der Affäre zu ziehen versucht, und gibt sich nicht zufrieden, bis sie auf die Frage, was ihr zum Beispiel einfällt, die einzig richtige sexuelle Deutung des Traumes zugibt.  

Was ich in einer Arbeit über ›Analyse von Gleichnissen‹ behauptete, daß nämlich hinter den anscheinend flüchtig hingeworfenen Vergleichen immer gerade das bedeutsamste Material verborgen ist, gilt also auch von jenen Einfallen, die die Patienten auf die Frage: »Was zum Beispiel?« zum besten geben. 


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