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Wissenschaft

Wissenschaft. Wissenschaft ist nicht ein „Aggregat“, sondern ein „System“ (s. d.) von Erkenntnissen, ein artikuliertes, organisches Ganzes, das durch die „Idee“ eines solchen, eine Zweckeinheit verknüpft ist und von innen aus wächst. Das dieser Idee gemäße „Schema“ der Mannigfaltigkeit und Ordnung der Teile gründet „architektonische Einheit“ (nicht bloß „technische“). „Nicht technisch, wegen der Ähnlichkeit des Mannigfaltigen oder des zufälligen Gebrauchs der Erkenntnis in concreto zu allerlei beliebigen äußeren Zwecken, sondern architektonisch, um der Verwandtschaft willen und der Ableitung von einem einigen obersten und inneren Zwecke, der das Ganze allererst möglich macht, kann dasjenige entspringen, was wir Wissenschaft nennen, dessen Schema den Umriß (monogramma) und die Einteilung des Ganzen in Glieder der Idee gemäß, d. i. a priori, enthalten und dieses von allen anderen sicher und nach Prinzipien unterscheiden muß.“ Die einer Wissenschaft zugrunde liegende Idee ist aber oft (selbst für den Urheber) nur versteckt, undeutlich, unentwickelt vorhanden und muß erst später herausgebildet werden, KrV 2. Meth. 3, H. (I 686 ff.— Rc 841 ff.); vgl. Architektonik, Erkenntnis. „Eine jede Lehre, wenn sie ein System, d. i ein nach Prinzipien geordnetes Ganze der Erkenntnis sein soll, heißt Wissenschaft“. „Eigentliche Wissenschaft kann nur diejenige genannt werden, deren Gewißheit apodiktisch ist; Erkenntnis, die bloß empirische Gewißheit enthalten kann, ist ein nur uneigentlich so genanntes Wissen. Dasjenige Ganze der Erkenntnis, was systematisch ist, kann schon darum Wissenschaft heißen und wenn die Verknüpfung der Erkenntnis in diesem System ein Zusammenhang von Gründen und Folgen ist, sogar rationale Wissenschaft.“ In jeder Naturlehre ist nur so viel „eigentliche“ Wissenschaft, als darin Mathematik anzutreffen ist. Eigentliche Wissenschaft (der Natur) erfordert einen „reinen Teil, der dem empirischen zum Grunde liegt und der auf Erkenntnis der Naturdinge a priori beruht“, Anfangsgr. d. Naturw. Vorr. (VII 190 ff.); vgl. Naturwissenschaft, Chemie, Psychologie.

„Der praktische Nutzen, den eine bloß spekulative Wissenschaft haben mag, liegt außerhalb der Grenzen dieser Wissenschaft, kann also bloß als ein Scholion angesehen werden und gehört, wie alle Scholien, nicht als einTeil zur Wissenschaft selbst. Gleichwohl liegt diese Beziehung doch wenigstens innerhalb den Grenzen der Philosophie, vornehmlich derjenigen, welche aus reinen Vernunftquellen schöpft, wo der spekulative Gebrauch der Vernunft in der Metaphysik mit dem praktischen in der Moral notwendig Einheit haben muß“, Prol. § 60 (III 138). Es ist das einer Wissenschaft. Eigentümliche, das sie von anderen Unterscheidende genau zu bestimmen, da sonst die Grenzen aller Wissenschaften ineinanderlaufen, ibid. § 1 (III 13).

Jede Wissenschaft ist ein System für sich und hat in der Enzyklopädie aller Wissenschaften ihre bestimmte Stelle, KU § 79 (II 283). Wissenschaft und Kunst machen den Menschen zwar noch nicht sittlich, aber gesittet, ibid. § 83 (II 303); vgl. Kultur. Es gibt keine „schönen“ Wissenschaften, auch keine Wissenschaft des Schönen (s. Ästhetik, Geschmack). Das System der apriorischen Grundlagen aller Wissenschaft ist die Transzendentalphilosophie (s. d.). Eine Metaphysik (s. d.), die Wissenschaft sein soll, muß auf der „Kritik der reinen Vernunft“ (s. d.) fußen.

„Ich bin selbst aus Neigung ein Forscher. Ich fühle den ganzen Durst nach Erkenntnis und die begierige Unruhe, darin weiter zu kommen, oder auch die Zufriedenheit bei jedem Fortschritte. Es war eine Zeit, da ich glaubte, dieses alles könnte die Ehre der Menschheit machen, und ich verachtete den Pöbel, der von nichts weiß. Rousseau hat mich zurecht gebracht. Dieser verblendete Vorzug verschwindet; ich lerne die Menschen ehren und würde mich viel unnützer finden als die gemeinen Arbeiter, wenn ich nicht glaubte, daß diese Betrachtung allen übrigen einen Wert geben könne, die Rechte der Menschheit herzustellen.“ „Wenn es irgendeine Wissenschaft gibt, die der Mensch wirklich bedarf, so ist es die, welche ich lehre, die Stelle geziemend zu erfüllen, welche dem Measchen in der Schöpfung angewiesen ist, und aus der er lernen kann, was man sein muß, um ein Mensch zu sein“, Bruchstücke aus d. Nachlaß (VIII 273 f.). Vgl. Naturwissenschaft, System.