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Machen wirs richtig?

Den Lesern des Anderen Deutschland braucht zum 1. August nicht versichert zu werden, dass der moderne Krieg eine verächtliche und widerwärtige Sache ist. Das wissen sie. Aber es ist doch zu fragen, ob wir Pazifisten alles tun, was in unserer Kraft steht –, ob wir aus der Katastrophe gelernt haben –, ob es vorwärts geht.

Ich denke, dass große Teile unserer Bewegung einen Fehler begehen. Und unter Gesinnungsfreunden darf ausgesprochen werden, worin der zu bestehen scheint.

Wir sind nicht banal genug. Wir sind nicht radikal genug.

Die deutschen Nationalisten haben für ihre Sache unendlich viel getan, weil sie bei allen Gelegenheiten zunächst einmal das einfachste, das allen Faßliche herausschreien: Krieg! Vaterland! Heldentod! Hoch Uniform und Vorgesetzter! – Und sie können einen Teil ihres Sieges darauf zurückführen, dass sie unerbittlich hart sind, was, von ihrem Standpunkt gesehen, richtig ist. Über die Frage des Wehrzwanges, der Straflosigkeit von Kollektivverbrechen, die Selbstverständlichkeit der Kriege gibt es bei ihnen keine Diskussion. Hat man schon jemals gehört, dass in diesen Kreisen auf die »Gefühle Andersdenkender« Rücksicht genommen worden ist? –

Wir aber glauben, wenn wir das Banale, das Einfache einmal ausgesprochen haben, sei es damit erledigt. Wir vergessen, dass eine neue Generation aufwächst, dass Menschen rasch vergessen, dass man Wahrheiten einhämmern muß, damit sie haftenbleiben. Das tun wir nicht genug.

Wir vergessen, dass wir im kleinen Kreise beginnen müssen –, dass die pazifistischen Siege in einer Kommune, in einer Familie, in einer Schule viel, viel schwerer zu erringen sind als nichtssagende Phrasen in einer Verfassung, in einer Rede vor Anhängern, in einem Manifest.

Und es muß denen auf der anderen Seite mit der gleichen Selbstverständlichkeit, die sie anwenden, gezeigt werden, dass es Menschen in Deutschland gibt, denen es durchaus nicht natürlich erscheint, dass »man« in den Krieg zu ziehen habe, die Ideen vertreten, die höher stehen als jener niedrige Patriotismus, die Generale nur dann achten, wenn sie auch außerhalb ihres traurigen Berufes anständige Menschen sind – die keine Bewunderung für die Heldentaten der Telefon-Feldmarschälle haben – und die keineswegs der Ansicht sind, dass in der Ehrung der Ermordeten auch gleichzeitig die Reklame für einen neuen Krieg einbegriffen sei.

Was uns so oft fehlt, ist das klare Feldgeschrei, die einfache Losung, die radikale Selbstverständlichkeit. Die heißt nicht nur: Nie wieder Krieg! Die heißt:

Gefühle von Mördern bedürfen keiner Schonung. Auf die zarten Seelen von verkleideten Sanitätsräten sei keine Rücksicht genommen. Wer im Kriege getötet wurde, ist nicht zu feiern, sondern aufs tiefste zu bedauern, weil er für einen Dreck gefallen ist. Der Feind steht nicht drüben, sondern hüben. Die Wehrpflicht und der Zwang zur Herstellung von Mordmitteln ist auch gegen das Gesetz zu verweigern.

Der Pazifismus mag sich besinnen, was am 1. August 1914 mit ihm geschehen ist. Es gab ihn nicht, denn »es war nicht die Stunde der Theorie«. Nur da war seine Stunde – nirgendwann sonst.

Ich wünsche dem deutschen Pazifismus Soldaten des Friedens.

Ignaz Wrobel
Das Andere Deutschland, 01.08.1925.