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Der Zweijährig-Unfreiwillige

In Köln haben sie wieder einmal einem jungen Mann, der die Berechtigung für den Einjährig-Freiwilligen-Dienst durch Ablegung der Prüfung in Berlin erworben hat, das Zeugnis entzogen. Grund: Agitation für die sozialdemokratische Partei. Der Mann war in der proletarischen Jugendbewegung tätig, hat auch wohl an den Parteiblättern mitgearbeitet. Er beschwerte sich und bekam als Antwort ein paar dieser unhöflich und ungeschickt stilisierten Schreiben, in denen auf die Wehrordnung und irgendwelche Erlasse der Kriegsminister und eines Ministers des Inneren verwiesen wurde.

Die Herren täuschen sich. Es steht nicht in ihrem Belieben, die »moralischen Qualitäten«, die da vorgeschrieben sind, nach ihrem eigenen Parteistandpunkt abzusprechen. Hätte sich der junge Mann politisch in Kriegervereinen einen patriotischen Rausch angetrunken, hätte er für Kaiser und Reich nachts auf den Straßen randaliert, es wäre ihm nichts geschehen.

Vielleicht beschäftigen sich doch unsere Parlamente mehr mit diesem gesetzwidrigen Unfug, zwingende Vorschriften durch interne und heimliche »Verfügungen« illusorisch zu machen. Das Examen berechtigt zum Einjährigen-Dienst. Es ist selbstverständlich, dass die Berechtigung bei Bestrafung wieder entzogen wird. Alles andere ist faule Ausrede. Dieser Fall Ist nicht der erste. Sie haben schon einmal in Berlin unerhebliche Ordnungsstrafen herangezogen, um den Sohn eines Sozialdemokraten zu schikanieren.

Eins nur ist hübsch: dass sie damit offen zugeben, der zweijährige Dienst sei eine Strafe. Ja, er ist eine. Nur würde es sich empfehlen, an die maßgebenden Stellen nicht solche traurigen Bürokraten hinzusetzen, die – weil sie gar keinen Ausweg mehr finden und weil man sich überhaupt ein bißchen wichtig und bemerkbar machen muß – den Militärdienst als eine Verurteilung für Korrigenden hinstellen.

Es ist hier dasselbe wie überall da, wo Verwaltungsbehörden in unmittelbare Berührung mit dem Publikum kommen. Jeder kleine Bezirksbeamte ist ein Fürst (unter den Hämorrhoiden), und der tapfere Mann bindet nur mit dem an, der ihn braucht.

Ignaz Wrobel
März, 20.12.1913, Nr. 51, S. 899.