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Frau Ebert

Die ›Berliner Morgenpost‹ gibt an, dass die Witwe des Reichspräsidenten einige fünfhundert Mark Pension monatlich beziehe, das Maximum der Beamtenpensionen überhaupt. Das Blatt betont ausdrücklich, dass anders lautende Gerüchte, die diese Summe höher ansetzten, unrichtig seien. Sie werden schon unrichtig sein, und es ist ein Skandal, dass sie unrichtig sind.

Fritz Ebert ist der erste Präsident der deutschen Republik gewesen, und seine Politik haben wir hier immer recht heftig bekämpft. Wir sind auch heute noch der Meinung, dass das politische Wirken des Mannes unheilvoll, verderblich und falsch orientiert gewesen ist. Eine ganz andre Sache aber ist die Beurteilung seiner bürgerlichen Persönlichkeit.

Der Präsident war ein sauberer Mensch. Unbemittelt ist er in die Wilhelmstraße gezogen, und unbemittelt wäre er im Mai wieder weggezogen. Selbst sein schärfster politischer Gegner darf ihm nicht nachsagen, dass er sich bei irgendeiner Gelegenheit bereichert hätte, dass er – wie Bismarck – sein Amt benutzt hätte, um recht vorteilhafte, wenn auch nicht verbotene Geschäfte mit seinem Bankier zu machen; dass er jemals spekuliert, etwas eingesteckt, mehr als das Gehalt verdient bitte. Die albernen Verleumdungen, die den Mann mit den Barmats in Verbindung brachten, sind für rechtlich denkende Menschen längst Widerlegt – die deutschnationale Landstadt und ihre Gossenpresse wird nicht gut vom Gegenteil zu überzeugen sein. Sein Auftreten war anständig und zurückhaltend – und wenn man sich in den Kreisen von Leuten, die entsetzlich stolz auf ihre Fischmesser waren, von Frau Ebert kindische Geschichten erzählte, so beschworen die nur die Erinnerung an die Formen der Herren Landrichter herauf, die sich als Burschenschafter erheblich unangenehmer zu benehmen pflegten.

Die Beamtenpension für die Hinterbliebene des Mannes ist zu gering, ein Benzingeld für reiche Leute. Ich weiß sehr wohl, dass es Hunderttausende von Proletarierfrauen in Deutschland gibt, die froh wären, auch nur die Hälfte dieser Pension ihr eigen zu nennen. Aber es handelt sich nicht um Frau Ebert – es handelt sich um die Frau des ersten Präsidenten der Republik. Der Republik, die den geschlagenen kaiserlichen Generalen auch dann noch den zehnfachen Betrag in den Rachen wirft, wenn die alle drei Monate einen neuen kleinen Hochverrat entrieren, und der für die Tausende von Offizieren mit dem einträglichen Beruf nichts zu teuer ist.

Keine Partei wird wagen, eine Vermehrung zu beantragen. Die Sozialdemokraten nicht, weil sie vor lauter Taktik nicht laufen können; die paar ehrlichen Republikaner, die es unter den Demokraten gibt, nicht, weil man ›aus rechtlichen Gründen‹ dergleichen nicht befürworten kann; die Kommunisten nicht, weil sie immer noch nicht merken, dass Indianertänze um ein Grab keinen Klassenkampf bedeuten – und die andern werden grinsen, aber nichts bewilligen.

Die Regierung? Sie wird schweigen und dies Schweigen würdig den andern Augenblicken anreihen, wo sie schweigt. Sie schwieg, als die protestantischen Kirchen in Berlin den Trauerzug nicht ehrten, und sie schwieg, als eine vom Staat besoldete Anstalt, die Technische Hochschule in Charlottenburg, mit frechem Hohn eine Trauerfeier verweigerte, für die sich unter Wilhelm Rektor und Professoren die Frackschöße zerschwänzelt hätten.

Von Frau Ebert ist nicht ein einziger Zug in die Öffentlichkeit gedrungen, der auch nur im entferntesten so peinlich berührt hätte wie die Hochnäsigkeit ostelbischer Gutsfrauen. Frau Ebert verdiente eine Gabe der Republik.

Sie wird sie nicht erhalten.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 17.03.1925, Nr. 11, S. 409.