Affensprache
In der löblichen Absicht, die Sprache nicht nur den Tieren zuzuschreiben, sondern die Existenz einer Tiersprache dadurch zu beweisen, dass man sie erlernbar mache wie irgendeine menschliche Mundart, hat R. L. Garner (The Speech of Monkeys) das Studium der Affensprache zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Leider ist der interessante Versuch ohne jede erkenntnis-theoretische oder selbst nur wissenschaftliche Kritik ganz dilettantisch unternommen worden.
Herr Garner ist aufs Ganze gegangen; er hat die Sprache der Affen oder vielmehr (wie er meint) die Mundart der Kapuzineräffchen erlernen wollen; er hat außerdem den Anfang dazu gemacht, die Artikulation der Affensprache mit Hilfe des Phonographen zu untersuchen. Viel konnte dabei nicht herauskommen, schon darum nicht, weil Herr Garner keine klare Vorstellung vom Wesen der Sprache hat. Er wollte eigentlich (wenn er es auch nicht ausdrücklich sagt) bestimmte Dingwörter, Zeitwörter oder Eigenschaftswörter aus dem Lexikon unserer Kultursprachen entsprechend in der Affensprache wiederfinden; er ahnte erstens nicht, dass es Menschensprachen genug gibt, in denen die uns bekannte Sonderung in Redeteile nicht vorhanden ist, hochentwickelte Sprachen darunter; er ahnte ferner nicht, dass nach der alten Regel im Denken oder in der Sprache nichts vorhanden sein kann, was nicht vorher in den Sinnen oder in der Wahrnehmung war, dass er also in der Sprache oder in dem Weltbilde der Affen nichts suchen durfte, was über den Affenhorizont hinausging. Es ist darum alles eitel Phantasterei oder meinetwegen Poesie, was Herr Garner über das zärtliche oder traurige Geschwätz seiner Affen vorbringt. Er ist ebensoweit wie nur je ein Mensch davon entfernt, mit einem Affen oder einer Äffin Konversation machen zu können. Er wollte denn so boshaft sein, das Schwatzen seiner Affen für eine ebenso gleichgültige Lufterschütterung zu halten wie die gesellige Konversation seiner Mitmenschen; doch boshaft ist Herr Garner nicht. Er ist ernsthaft und geduldig bei den Affen in die Schule gegangen und hat von ihnen zwei oder drei wortähnliche Äußerungen erlernt. Das Resultat ist minimal und dennoch von nicht zu unterschätzender Bedeutung, wenn es sich erst bei einer Nachprüfung als richtig erwiesen haben wird. Herr Garner ist ehrlich genug, selbst diese minimalen Kenntnisse in der Affensprache noch nicht einmal für die Anfänge eines äffischen Wörterbuches auszugeben. Er wundert sich sogar ganz naiv darüber, dass der Laut, den er sich zunächst mit "Futter" oder "Fressen" übersetzt hat, gelegentlich auch "Gib mir das" heißen kann; er weiß also nicht einmal, dass ein solcher Bedeutungswandel in den menschlichen Sprachen alltäglich ist. Ähnlich steht es mit einer anderen Lautgruppe, welche bald eine Überraschung, bald eine Warnung ausdrücken soll.
Sehr bedeutsam ist die Behauptung des Herrn Garner, dass eine Affenart ein Wort einer andern Affenart in ihren Sprachschatz aufgenommen habe; hat er richtig gehört, so besitzen wir daran ein Aperçu von außerordentlicher Tragweite. Wenn ein Affe ein Wort aus einer anderen "Mundart" aufzunehmen vermag, so ist damit unwidersprechlich bewiesen, dass er Sprachbewußtsein hat, dass er es fühlt, wie der geehrte Mitaffe seine Sprachlaute mit der Absicht der Mitteilung von sich gibt.
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