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Seele und Sprache

Man hat von Descartes bis zur heutigen Pfarrers- und Köchinnenphilosophie angenommen, nur der Mensch besitze eine Seele; wir werden uns gewöhnen müssen, einzusehen, daß die Seele nur insofern ein ausschließlich menschliches Attribut sei, als der Mensch allein in seiner Sprache den Seelenbegriff besitzt. Darum war zuerst nur von menschlichen Seelen die Rede. Aber nur auf die Brauchbarkeit der Begriffe kommt es an, nicht darauf, ob sie in der Zufallsgeschichte der Beobachtungen oder Übertragungen vom Menschen aus dem Tiere, oder vom Tiere aus dem Menschen angepaßt wurden. Ergebnisse der Züchtung wurden zuerst an Tieren beobachtet, dann (theoretisch) auf den Menschen übertragen. Laufen, Essen, Verdauen mußte an Tieren und Menschen gleichzeitig beobachtet werden. Auch die Augen. Ohren waren beim Menschen deutlich sichtbar, auch bei Vierfüßlern; bei Vögeln und Fischen wurden sie nach Analogie gesucht und gefunden. Ebenso alle versteckten Organe. Es dauerte gewiß lange, bis (nach Analogie des menschlichen Herzens) Tierherzen gesucht und gefunden wurden. Nun wurde die Seele, als Organ des Denkens, zuerst beim Menschen hypostasiert; jetzt wird diese Hypostasierung beim Tiere gesucht und gefunden. Über Descartes hinaus gibt ja die neueste Menschensprache (besonders seit Fechner) auch den Tieren und den pflanzlichen Organismen ihre Seelen; aber so eine rechte Seele mit ihrem Vermögen des Empfindens, Denkens und Wollens scheint doch nur der Mensch zu haben, weil bei ihm zwischen dem Empfinden oder der Einwirkung der Außenwelt und dem Wollen oder der Reaktion auf die Außenwelt als Zwischenglied dasjenige auftritt, was wir je nach Umständen Zögern, Überlegen, Denken, Bewußtsein oder Schwätzen nennen.

Wie beschränkt menschlich dieser Seelenbegriff ist, das wird man stark empfinden, wenn man sich vorstellt, es habe entweder ein unorganisiertes Ding und dann wieder der höchste Weltgeist darüber zu befinden, was dieses Innenleben des Menschen eigentlich sei.