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Fechner

Nicht mehr Frage des Sprachgebrauchs, sondern ein poetisches Spiel mit der Sprache ist die Ausdehnung, welche der Seelenbegriff durch Fechner erfahren hat. Was er in seiner Nanna über die Päanzenseele sagt, das ist eine wunderhübsche Phantasie, aber eine Psychologie der Pflanzen ist es nicht. (Gelegentlich hat er auch wieder, wie im "Zend-Avesta", 2. Aufl. 1,115, zugegeben, daß man die Beseelung der Pflanzen bezweifeln mag.) Fechner geht aber noch weiter und stellt die kosmorganische Hypothese auf, nach welcher jeder Planet, die Erde z. B., sein besonderes Bewußtsein habe, allgemeiner und umfassender als das des Einzelmenschen, das Sonnensystem wieder ein besonderes Bewußtsein und so weiter, bis alles in dem letzten Bewußtsein Gottes sich vereinigt. Das alles wie das Vorhandensein eines Pflanzenbewußtseins wird ganz vortrefflich konstruiert. Die psychophysischen Vorgänge treten in das menschliche Bewußtsein ein, wenn sie einen Stärkegrad erreicht haben, der sie befähigt, über die och welle des Bewußtseins zu treten. Wir sind unaufhörlich von unendlich vielen und unentwirrbar krausen Molekularbewegungen umgeben, welche wahrscheinlich unendlich kleine psychophysische Bewegungen auslösen und welche dennoch unter der Schwelle des Bewußtseins bleiben. Da haben wir ein Wort, brauchen es nur zu gebrauchen, wie man eben Worte gebraucht, und das kosmische Bewußtsein Gottes mit seinen Planetenseelen ist erklärt. "Erklärt" besonders dadurch, daß Fechner so liberal ist, das Verhältnis des Leibes zur Seele unklar zu lassen; er ist ("Zend-Avesta", I, 111) ihr "Spiegel oder Ausdruck, Hülle oder Organ, Erzeugnis oder Zeugendes, Träger oder Sitz, Bruder oder Diener". Hat man das Wort Schwelle erst geläufig, so setzt man die Höhe der Schwelle in seiner Phantasie immer tiefer herunter, bis die physische Molekularbewegung nicht die geringste Kraft mehr braucht, um eine psychische Bewegung zu werden, bis alle Molekularbewegung der Welt in irgend ein übermenschliches oder untermenschliches Bewußtsein wie schwellenlos eindringen kann. Der feine und liebenswürdige Fechner vergißt nur wieder, daß die ansprechende Lehre von der Schwelle durch Beobachtungen am Menschen gewonnen ist. Wie soll man eine niedrige Schwelle ohne Nervensystem annehmen, wenn doch tatsächlich der Mensch die Schwelle seines Bewußtseins durch Aufmerksamkeit, also durch Schärfung seiner Sinne herabsetzt, d. h. wenn die größere Kraftleistung durch eine größere Anspannung des Nervensystems erzeugt wird? Doch es wäre ein Wortgefecht, die Hypothese Fechners widerlegen zu wollen. Sie ist unwiderleglich, weil sie spielerisch die Worte der Sprache ausdehnt. Sie ist unbegreiflich, sie ist unvorstellbar. Sie ist poetisch, sie ist schön. Was von der Pflanzenseele gesagt worden ist, das trifft potenziert auf die kosmorganische Seele Fechners zu. Was nicht durch Menschensinne hindurchgegangen ist, das ist nicht in der menschlichen Sprache.