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Assoziation des Gelehrten

Nehmen wir den Witz oder die Witze (Fem.) nach dem Sprachgebrauche der älteren Zeit, so haben wir die Fähigkeit, die den Gelehrten ausmacht. Es bedarf nach allem Gesagten keiner weiteren Begründung, daß auch die Arbeiten des Durchschnittsgelehrten nichts anderes sind als geordnete Gedankenassoziationen, geordnet und veranlaßt durch die wissenschaftliche Sprache seiner Zeit. Wer daran zweifeln wollte, brauchte nur verschiedene Bücher eines vergangenen Zeitabschnitts zu lesen, und er wird erkennen, wie überall dasselbe steht. Es ist der sogenannte Geist der Zeit, welcher die Bücher einer Zeit diktiert. Und wenn die Kinder einer gleichen Zeit nicht wörtlich die gleichen Bücher schreiben, wenn unsere werten Zeitgenossen nicht auf die gleiche äußere Anregung alle die wörtlich gleiche Bemerkung machen — was doch bei der Identität der Anregung und der Muttersprache nach unserer Theorie wahrscheinlich wäre —, so liegt das bloß daran, daß die Individualsprachen der einzelnen Menschen durch Erziehung und Bildungsgang verschieden ausgefallen sind, und daß schließlich die Richtung der Aufmerksamkeit nicht durch die Sprache, sondern durch den Charakter und folglich durch die Interessen des Sprechenden entschieden wird. Es ist ein bekannter Scherz, daß man Charakter und Lebensberuf seiner Coupémitinsassen erraten kann, wenn man plötzlich eine Bemerkung macht über das Wetter, über die Landschaft u. s. w. und auf die Ideenassoziationen achtet, durch welche die Antworten hervorgerufen werden.

Daß die Ideenassoziation und das Gedächtnis und die Sprache mit dem Denken des Menschen identisch sei, mag in so knapper Ausdrucksweise wie ein verwegener Satz erscheinen. Dennoch richtet der Salonmensch oder der Schmeichler sein Benehmen so ein, als ob er von der Wahrheit dieses Satzes überzeugt wäre. Er wirft, wenn er geschickt ist, ein scheinbar gleichgültiges Wort hin, welches durch Ideenassoziation beim Zuhörer je nachdem zurechtweisende oder schmeichelnde Vorstellungen erweckt. Selbst der einfache Takt des Herzens bedient sich unaufhörlich der Ideenassoziation anstatt der direkten Sprache. "Im Hause des Gehängten soll man von keinem Stricke reden," natürlich darum nicht, weil die betrübte Familie durch das Wort Strick an die Schande erinnert würde.