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Vorsehung

Vorsehung. Der Mensch ist im Dunkeln, „wenn er die Absichten erraten will, die Gott in der Regierung der Welt vor Augen hat. Allein, wir sind in keiner Ungewißheit, wenn es auf die Anwendung ankommt, wie wir diese Wege der Vorsehung dem Zwecke derselben gemäß gebrauchen sollen. Der Mensch ist nicht geboren, um auf dieser Schaubühne der Eitelkeit ewige Hütten zu erbauen. Weil sein ganzes Leben ein weit edleres Ziel hat, wie schön stimmen dazu nicht alle die Verheerungen, die der Unbestand der Welt selbst in denjenigen Dingen blicken läßt, die uns die größte und wichtigste zu sein scheinen, um uns zu erinnern, daß die Güter der Erden unserem Triebe zur Glückseligkeit keine Genugtuung verschaffen können.“ Der Mensch ist aber nicht dem Schicksal preisgegeben; die höchste Weisheit „hat die niederen Zwecke den höheren untergeordnet“, und es wird so auch „die Führung des menschlichen Geschlechts in dem Regimente der Welt selbst dem Laufe der Naturdinge Gesetze vorschreiben“, Gesch. u. Naturbeschreibung des Erdbebens, Schlußbetrachtung (VII 326 f.). „Der denkende Mensch fühlt einen Kummer, der wohl gar Sittenverderbnis werden kann, von welchem der Gedankenlose nichts weiß: nämlich Unzufriedenheit mit der Vorsehung, die den Weltlauf im Ganzen regiert, wenn er die Übel überschlägt, die das menschliche Geschlecht so sehr und (wie es scheint) ohne Hoffnung eines Besseren drücken. Es ist aber von der größten Wichtigkeit, mit der Vorsehung zufrieden zu sein (ob sie uns gleich auf unserer Erdenwelt eine so mühsame Bahn vorgezeichnet hat): teils um unter den Mühseligkeiten immer noch Mut zu fassen, teils um, indem wir die Schuld davon aufs Schicksal schieben, nicht unsere eigene, die vielleicht die einzige Ursache aller dieser Übel sein mag, darüber aus dem Auge zu setzen und in der Selbstbesserung die Hilfe dagegen zu versäumen“, Anf. d. Menschengesch. Schluß-Anmerk. (VI 61 f.).

Vorsehung heißt die Natur „als tiefliegende Weisheit einer höheren, auf den objektiven Endzweck des menschlichen Geschlechts gerichteten und diesen Weltlaut prädeterminierenden Ursache“. Wir erkennen sie nicht, sondern denken sie zu den „Kunstanstalten der Natur“ hinzu, „um uns von ihrer Möglichkeit nach der Analogie menschlicher Kunsthandlungen einen Begriff zu machen“, Z. ew. Fried. 2. Abs. 1. Zusatz (VI 139). „Im Mechanism der Natur, wozu der Mensch (als Sinnenwesen) mit gehört, zeigt sich eine ihrer Existenz schon zum Grunde liegende Form, die wir uns nicht anders begreiflich machen können, als indem wir ihr den Zweck eines sie vorher bestimmenden Welturhebers unterlegen, dessen Vorherbestimmung wir die (göttliche) Vorsehung überhaupt und, sofern sie in den Anfang der Welt gelegt wird, die gründende ..., im Laufe der Natur aber diesen nach allgemeinen Gesetzen der Zweckmäßigkeit zu erhalten, die waltende Vorsehung ..., ferner zu besonderen, aber von dem Menseben nicht vorherzusehenden, sondern nur aus dem Erfolg vermuteten Zwecken, die leitende ..., endlich sogar in Ansehung einzelner Begebenheiten als göttlicher Zwecke nicht mehr Vorsehung, sondern Fügung ... nennen“, ibid. 1. Anm. (VI 139 f.). „Das Vorhersehen ist in der Ordnung der Erscheinungen für den Welturheber, wenn er hierbei selbst anthropomorphistisch gedacht wird, zugleich ein Vorherbeschließen. In der übersinnlichen Ordnung der Dinge aber nach Freiheitsgesetzen, wo die Zeit wegfällt, ist es bloß ein allsehendes Wissen*, ohne, warum der eine Mensch so, der andere nach entgegengesetzten Grundsätzen verfährt, erklären und doch auch zugleich mit der Freiheit des Willens vereinigen zu können“, Rel. 3. St. 2. Abs. VII 1. Anm. (IV 139); vgl. Vorles. über die philos. Religionslehre, S. 179 ff. — In der Geschichte (s. d.) des Menschen waltet (gleichsam) eine Vorsehung oder eine „Absicht“ (s. d.) der Natur, durch die auf kausalgesetzliche Weise ein Fortschritt des Menschen zum Besseren erzielt wird. Vgl. Lose Bl. 97.