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Die Brille

Der Wurstdieb

Des Mittags, als es zwölfe war,
Setzt sich zu Tisch der Herr Aktuar.

Der Wurstdieb

Er schaut bedenklich, ernst und stille,
Die Suppe an durch seine Brille.

Der Wurstdieb

Und durch die Brille, scharf und klar,
Entdeckt er gleich ein langes Haar.

Der Wurstdieb

„Nun!“ – sprach die Frau – „das kann wohl mal passieren!
Hast du mich lieb, so wird’s dich nicht genieren!“

Der Wurstdieb

Er aber kehrt sich schleunigst um
Und holt die Flasche, die voll Rum.

Der Wurstdieb

Er trinkt und ist so sehr verstockt,
Daß selbst die Wurst ihn nicht verlockt.

Der Wurstdieb

„Ach!“ denkt die Frau, „wie wird das enden!“
Und sucht die Flasche zu entwenden.

Der Wurstdieb

Doch hierin kennt er keinen Spaß:
„Gleich stell’ sie her! Sonst gibt es was!“

Der Wurstdieb

Und schon ergreift er mit der Hand
Den Stock, der in der Ecke stand.

Der Wurstdieb

Die Frau versucht zu fliehn; indes
Der Hakenstock verhindert es.

Der Wurstdieb

Ein Schlag, gar wohlgezielt und tüchtig,
Trifft und zerbricht die Flasche richtig.

Der Wurstdieb

Nun nimmt die Frau die Sache krumm
Und kehrt sich zur Attacke um.

Der Wurstdieb

Sie hat die Brill’ und freut sich sehr,
Der Mann steht da und sieht nichts mehr.

Der Wurstdieb

Er tappt herum als blinder Mann,
Ob er den Feind nicht finden kann.

Der Wurstdieb

Und tappt in seiner blinden Wut –
Autsch! – an des Ofens heiße Glut.

Der Wurstdieb

Er dreht sich um und allbereits
Brennt ihn der Ofen anderseits.

Der Wurstdieb

Nun aber wird die Wut erst groß –
Was es auch sei – er haut drauf los.

Der Wurstdieb

Die Suppenschüssel, Wurst und Glas
Wird ruiniert, der Hund wird naß.

Der Wurstdieb

Und Frau und Hund entfliehn; doch er
Fällt mit dem Stuhl schnell hinterher.

Der Wurstdieb

Voll Eifer will er nach, und ach!
Rennt an die Tür mit großem Krach.

Der Wurstdieb

Nun ist’s zu Ende mit dem Rasen;
Das rote Blut rinnt aus der Nasen.

Der Wurstdieb

Und demutsvoll und flehentlich
Bemüht er um die Brille sich.

Der Wurstdieb

Er nimmt mit Freud’ und Dankgefühl
Die Brille von dem Besenstiel.

Der Wurstdieb

So triumphiert das brave Weib. –
Die Wurst hat Tapp, der Hund, im Leib.