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Unbedingt

Unbedingt. Was „uns notwendig über die Grenze der Erfahrung und aller Erscheinungen hinauszugehen treibt“, ist „das Unbedingte. welches die Vernunft in den Dingen an sich selbst notwendig und mit allem Recht zu allem Bedingten, und dadurch die Reihe der Bedingungen als vollendet verlangt“, KrV Vorr. z. 2. A. (I 30—Rc 25); vgl. Transzendent. Der Grundsatz der Vernunft (s. d.) ist, „zu dem bedingten Erkenntnisse des Verstandes das Unbedingte zu finden“. Zu einem Prinzip der reinen Vernunft wird diese logische Maxime in der Form: „wenn das Bedingte gegeben ist, so sei auch die ganze Reihe einander untergeordneter Bedingungen, die mithin selbst unbedingt ist, gegeben (d. i. in dem Gegenstande und seiner Verknüpfung enthalten)“. Es fragt sich aber, ob dieses Prinzip mehr bedeuten kann als eine Vorschrift, „sich im Aufsteigen zu immer höheren Bedingungen der Vollständigkeit derselben zu nähern und dadurch die höchste uns mögliche Vernunfteinheit in unsere Erkenntnis zu bringen“, ibid. tr. Dial. Einl. II c (I 324 f.—Rc 391 ff.). Die transzendentale „Idee“ (s. d.) ist ein „Begriff des Unbedingten, sofern er einen Grund der Synthesis des Bedingten enthält“. Im Vernunftschlusse denken wir, im Obersatz, ein Prädikat in seinem ganzen Umfange unter einer gewissen Bedingung. Diese vollendete Größe des Umfanges heißt die „Allgemeinheit“ (universalitas), und dieser entspricht in der Synthesis der Anschauungen die „Allheit“ (universitas) oder „Totalität“ der Bedingungen. Das Unbedingte allein macht diese Totalität möglich, und umgekehrt ist sie jederzeit selbst unbedingt, ibid. tr. Dial. 1. B. 2. Abs. (I 324 f.—Rc 402 f.). Es gibt ein Unbedingtes 1. der kategorischen Synthesis in einem Subjekt, 2. der hypothetischen Synthesis der Glieder einer Reihe, 3. der disjunktiven Synthesis der Teile in einem System. Jedenfalls berechtigt ist nur die Aufgabe, die „Einheit des Verstandes wo möglich bis zum Unbedingten fortzusetzen“, ibid. (I 335 f.—Rc 403 f.). Die Idee geht auf die „absolute Totalität in der Synthesis der Bedingungen“. Sie zielt auf die „absolute Totalität im Gebrauche der Verstandesbegriffe“, betrachtet alle Erfahrungserkenntnis als bestimmt durch eine „absolute Totalität der Bedingungen“. „Sie sucht die synthetische Einheit der Kategorien bis zum Schlechthinunbedingten hinauszuführen“, ibid. (I 337 ff.—Rc 406 ff.). Es ist das Geschäft der Vernunft, „von der bedingten Synthesis, an die der Verstand jederzeit gebunden bleibt, zur u.en aufzusteigen, die er niemals erreichen kann“, ibid. 1. B. 3. Abs. (I 343—Rc 412). Die Paralogismen (s. d.) der reinen Vernunft beziehen sich auf das Unbedingte der Vorstellungen (Seele). Die kosmologischen (s. d.) Ideen gehen auf das Unbedingte der Erscheinungen (s. Antinomie). Sie sind nichts als „bis zum Unbedingten erweiterte Kategorien“, in welchen die Synthesis je eine „Reihe“ (s. d.) ausmacht. Das Unbedingte wird gedacht a) als bloß in der ganzen Reihe bestehend, b) als ein Teil der Reihe, ibid. 2. B. 2. H. (I 373 ff.—Rc 498 ff.). Das Unbedingte ist „in der absoluten Totalität der Reihe“ enthalten, ibid. 1. Abs. (I 380—Rc 505). Die ersten zwei Antinomien beziehen sich auf das „Mathematischunbedingte“, die zwei letzten auf das „Dynamischunbedingte“, ibid. (I 383—Rc 508). — Das Unbedingte ist in keiner möglichen Erfahrung anzutreffen. Es ist uns nur, wenn das Bedingte gegeben ist, ein Regressus aufgegeben, zu immer weiteren Bedingungen zu schreiten, ibid. 2. H. 7. Abs. (I 444 ff.—Rc 576 ff.). „Der Grundsatz der Vernunft also ist eigentlich nur eine Regel, welche in der Reihe der Bedingungen gegebener Erscheinungen einen Regressus gebietet, dem es niemals erlaubt ist, bei einem Schlechthinunbedingten stehenzubleiben“, ibid. 8. Abs. (I 451—Rc 585); vgl. Unendlich. In den „mathematischen“ Ideen und Antinomien ist das gesuchte Unbedingte gleichartig mit dem Bedingten, nämlich ebenfalls sinnlich, Erscheinung. In der „dynamischen“ Reihe aber (vgl. Freiheit, Notwendig) ist eine „intelligible“ Bedingung zu denken, die nicht ein Glied der Reihe selbst bildet und welche „empirischunbedingt“ ist, ohne daß dadurch dem empirischen Regressus irgendwo Abbruch getan wird, ibid. 9. Abs. II Schlußanmerk. (I 468—Rc 602).

Im Stadium der Ontologie „sieht sich die Vernunft in einer Reihe einander untergeordneter Bedingungen, die ohne Ende immer wiederum bedingt sind, zum unaufhörlichen Fortschreiten zum Unbedingten aufgefordert, weil jeder Raum und jede Zeit nie anders als wie ein Teil eines noch größeren gegebenen Raumes oder Zeit vorgestellt werden kann, in denen doch die Bedingungen zu dem, was uns in jeder Anschauung gegeben ist, gesucht werden müssen, um zum Unbedingten zu gelangen“. „Der zweite große Fortschritt, welcher nun der Metaphysik zugemutet wird, ist der, vom Bedingten an Gegenständen möglicher Erfahrung zum Unbedingten zu gelangen, und ihre Erkenntnis bis zur Vollendung dieser Reihe durch die Vernunft (denn was bis dahin geschehen war, geschah durch Verstand und Urteilskraft) zu erweitern, und das Stadium, welches sie jetzt zurücklegen soll, wird daher das der transzendentalen Kosmologie heißen können, weil Raum und Zeit in ihrer ganzen Größe als Inbegriff aller Bedingungen betrachtet und als die Behälter aller verknüpften wirklichen Dinge vorgestellt, und so das Ganze von diesen, sofern sie jene ausfüllen, unter dem Begriffe einer Welt vorstellig gemacht werden soll.“ „Nun findet sich, daß in Raum und Zeit alles bedingt und das Unbedingte in der aufsteigenden Reihe der Bedingungen schlechterdings unerreichbar ist. Den Begriff eines absoluten Ganzen von lauter Bedingtem sich als unbedingt zu denken, enthält einen Widerspruch; das Unbedingte kann also nur als Glied der Reihe betrachtet werden, welches diese als Grund begrenzt, der selbst keine Folge aus einem anderen Grunde ist, und die Unergründlichkeit, welche durch alle Klassen der Kategorien geht, sofern sie auf das Verhältnis der Folgen zu ihren Gründen angewandt werden, ist das, was die Vernunft mit sich selbst in einen nie beizulegenden Streit verwickelt, solange die Gegenstände in Raum und Zeit für Dinge an sich selbst und nicht für bloße Erscheinungen genommen werden.“ „Der Satz: Das Ganze aller Bedingungen in Zeit und Raum ist unbedingt, ist falsch. Denn wenn alles in Raum und Zeit bedingt ist (innerhalb), so ist kein Ganzes derselben möglich“, Fortschr. d. Metaph. 2. Abt. 2. Stadium (V 3, 115 ff.). „Der Satz, daß zu allem Bedingten ein schlechthin Unbedingtes müsse gegeben sein, gilt als Gründsatz von allen Dingen, sowie ihre Verbindung durch reine Vernunft, d. i. als die der Dinge an sich selbst gedacht wird.“ Auf Gegenstände in Raum und Zeit ist der Begriff des Unbedingten nicht anwendbar; diese sind eben daher nur als Erscheinungen anzusehen, ibid. (V 3, 120). Das Unbedingte ist „in der Natur, d. i. in der Sinnenwelt schlechterdings nicht anzutreffen, ob es gleich notwendig angenommen werden muß“, ibid. 3. Stadium (V 3, 125). „Die Vernunft ... verlangt das Unbedingte und mit ihm die Totalität aller Bedingungen zu erkennen, denn sonst hört sie nicht auf zu fragen, gerade als ob noch nichts geantwortet wäre.“ Die Vernunft wird nun „dadurch an sich selbst irre, daß sie, durch die sichersten Grundsätze geleitet, das Unbedingte auf einer Seite gefunden zu haben glaubt und doch nach anderweitigen, ebenso sicheren Prinzipien sich selbst dahin bringt, zugleich zu glauben, daß es auf der entgegengesetzten Seite gesucht werden müsse“, Fortschr. d. Metaph. Beilage II (V 3, 158). „Das Bedürfnis der Vernunft, vom Bedingten zum Unbedingten aufzusteigen, betrifft auch die Begriffe selbst. Denn alle Dinge enthalten Realität, und zwar einen Grad derselben. Dieser wird immer als nur bedingt möglich angesehen, nämlich sofern ich einen Begriff vom realissimo, wovon jener nur die Einschränkung enthält, voraussetze.“ „Alles Bedingte ist zufällig und umgekehrt“, ibid. Beilage III (V 3, 162). Vgl. Notwendigkeit, Bedingung, Absolut, Unendlich, Totalität, Idee, Vernunft, Dialektik, Antinomie, Freiheit, Ewigkeit, Imperativ, Sollen.