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"Birnbaum"

"Birnbaum" wird wohl von jedem Etymologen so erklärt werden, dass der höhere Begriff Baum durch Birn als durch den Bestimmungsbegriff begrenzt werde. Es gehört zu den unlösbaren Aufgaben der Sprachwissenschaft, die Bedeutung des Bestimmungsbegriffs zu definieren; es gibt kaum eine Beziehung, es gibt kaum eine Kategorie, welche nicht durch den Bestimmungsbegriff ausgedrückt werden könnte. In unserem Falle wird die Etymologie sagen, das Wort bedeute einen Baum, der Birnen trägt. Auch das dreijährige Kind wird zu einer solchen Erklärung geneigt sein, das Kind jedoch aus dem tieferen Grunde, weil die Birnen am Baume es am meisten interessieren. Nach meinem Sprachgefühl jedoch liegt das logische Verhältnis der beiden Silben nicht ganz so. Nach meinem Sprachgefühl ist Baum eine Endsilbe, durch welche das Wort Birne, die Frucht, zur Bezeichnung für eine Pflanze umgeformt wird. Im Französischen wird so aus poire viel einfacher poirier. Der Unterschied ist nur, dass die Kultur solcher Fruchtbäume in romanischen Ländern älter ist als in germanischen und dass darum die Endsilbe "baum" noch nicht abgeschliffen worden ist. Daraus nun schließe ich: wenn die Etymologie schon bei den durchsichtigsten Wortzusammensetzungen der neuesten Sprache ohne feineres Sprachgefühl arbeitet, wie groß mögen die Fehler gegen den Geist der Sprache sein, die sie bei der Herleitung des alten Bestandes begeht.

Gebrauche ich wiederum in der Rede oder in einem Aufsatz das Wort "Unzusammengehörigkeit", so ist mein Sprachgefühl durchaus nicht an die Frage gebunden, ob dieses Wort schon vorher einmal gebraucht worden sei. Ich maße mir das Recht an, es in jedem Augenblicke neu zu bilden, und bin überzeugt davon, von jedem Zuhörer oder Leser verstanden zu werden, auch wenn er das Wort niemals vorher gehört oder gelesen hat.

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