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Kategorie

Kategorie (gr. katêgoria, lat. praedicamentum, eigtl. Aussage), heißt in der weitesten Bedeutung jedes Merkmal, das auf einen Gegenstand, jedes Prädikat, das auf ein Subjekt bezogen wird; in engerer Bedeutung versteht man unter Kategorien die allgemeinsten Stammbegriffe des Verstandes, unter welche alle Gegenstände der Erfahrung, sofern sie gedacht werden, fallen und von denen die übrigen Begriffe abgeleitet werden können. Sehr frühe wurde sich der menschliche Geist solcher Stammbegriffe bewußt; denn das Begreifen selbst führt zu ihrer Auffindung. Wir setzen, sobald wir uns ein Objekt vorstellen, nicht nur ein Ding im Unterschiede von aus selbst, sondern zugleich zahlreiche Beziehungen desselben zu anderen Dingen in Raum und Zeit; seine Gestalt, Größe, Bewegung, Lage usw. drängt sich uns auf. Daß diese Begriffe aber Grundfunktionen unseres Geistes sind oder mit den Grundfunktionen zusammenhängen, ergibt sich aus der Unmöglichkeit oder Schwierigkeit, sie auf andere zurückzuführen; Gestalt, Größe, Zahl, Maß, Bewegung, ferner Tun, Leiden, Ursache, Wirkung bringt unser Geist zu den Dingen hinzu, um diese ins Bewußtsein aufnehmen zu können. Nur durch den Hinzutritt dieser Begriffe wird die ungewollt und ungesucht in uns entstandene Vorstellung zum Begriff, indem unser diskursives Denken den Objekten ihre Merkmale in festen Formen beilegt. Der Begründer der Kategorienlehre ist Aristoteles (384 bis 322), der zehn Kategorien annahm: Substanz, Quantität, Qualität, Relation, Ort, Zeit, Lage, Haltung, Tun und Leiden (substantia, quantitas, qualitas, relatio, ubi, quando, situs, habitus, actio, passio; ousia (oder ti esti), z.B. Mensch, Pferd, poson, z.B. zwei, drei Ellen lang, poion, z.B. weiß, grammatisch, pros ti, z.B. doppelt, halb, größer, pou, z.B. im Lyceum, auf dem Markte, pote, z.B. gestern, im vorigen Jahre, keisthai, z.B. liegt, sitzt, echein, z.B. ist beschenkt, bewaffnet, poiein, z.B. schneidet, brennt, paschein, z.B. wird geschnitten, gebrannt). Diese Aufzählung in seiner „Topik“ (I, 9 p. 103 b 22 ff.) hat Aristoteles später verlassen. Er läßt die Kategorien keisthai und echein fallen, so daß eine Achtzahl entsteht (Analyt. post. I, 22, p. 83 a 21 und b 16, Phys. V, 1, p. 225 b 6). In seiner „Metaphysik“ (XIII, 2, p. 1089 b 23), wo er nur Substanzen, Modi und Relationen unterscheidet (ousiai, pathê, pros ti), bringt er die acht Kategorien in drei Klassen, wie er sonst auch (Analyt. post. I, 22) alle übrigen Kategorien der ousia gegenüber als symbebêkota zusammenfaßt. Aristoteles aber hat die Kategorientafel nur empirisch zusammengestellt, nicht ohne die Formen der Redeteile in der Sprache, soweit sie seiner Zeit bekannt waren, zu berücksichtigen; eine Deduktion der Kategorien aus einem Prinzip hat er nicht versucht, und eine direkte metaphysische Beziehung haben die Kategorien bei ihm nicht, obwohl sie durch die Existenzformen bedingt sind; sie sind für Aristoteles nur logische Formen. Eine direkte metaphysische Beziehung haben bei Aristoteles nur die vier formalen Prinzipien: Form, Stoff, Ursache, Zweck. Die Kategorien des Aristoteles sind auch nicht reine Begriffsformen, sondern sie schließen die sinnlichen Vorstellungsformen des Raumes und der Zeit in sich ein. Vgl. Form; Entelechie. – Die Stoiker stellten sich dann auf den metaphysischen Standpunkt. Alles ist zunächst etwas, mag es im Geist oder in der Außenwelt existieren. Die Gattungsbegriffe teilen sich aber in vier Unterarten: Substrat, wesentliche und unwesentliche Qualität, Relation (to hypokeimenon, to poion, to pôs echon, to pros ti pôs echon). Sie sahen also die Kategorien nicht bloß für logische Formen, sondern für Potenzen und Selbstbetätigungen der Dinge an. Plotinos (205-270) nahm wieder zehn Kategorien an, fünf intelligible: Objekt, Ruhe, Bewegung, Identität und Anderssein (on, stasis, kinêsis, tautotês, heterotês) und fünf sinnliche: Substanz, Relation, Quantität, Qualität und Bewegung (ousia, pros ti, poson, poion, kinêsis). Seit Plotinos wurde einseitig die metaphysische Bedeutung der Kategorien hervorgehoben. So stellt Laurentius Valla (1407-1457) Substanz, Qualität, Tätigkeit (substantia, qualitas, actio) als Kategorien auf; Descartes (1596-1650) und Spinoza (1632-1677): Substanz, Attribute, Modi; Locke (1632-1704): Substanz, Modus, Relation; Leibniz (1646-1716): Substanz, Quantität, Qualität. Aktion und Passion.

Erst Kant (1724-1804) betonte wieder zugleich die logische und die erkenntnistheoretische Seite der Kategorienlehre, indem er in den Kategorien die allgemeinen und notwendigen Elementarbegriffe unseres Geistes sah, durch die erst eine Erfahrung möglich werde, die aber jenseits der Grenzen der Empirie zu bloßen Formen herabsinken und ohne Anschauung leer wären. Während Aristoteles seine zehn Kategorien nur aufgezählt hatte, suchte Kant nach einem heuristischen Prinzip und glaubte dies in den Urteilsformen zu finden, da das Denken in Urteilen erfolgt. Was im Urteil das Subjekt mit dem Prädikat verbindet, ist jedesmal eine begriffliche Verstandesfunktion. So viele Arten des Urteils es gibt, so viel Kategorien müßten demnach vorhanden sein. Dementsprechend stellt er zwölf Kategorien auf: drei der Quantität: Einheit, Vielheit, Allheit; drei der Qualität: Realität, Negation, Limitation; drei der Relation: Inhärenz und Subsistenz, Kausalität und Dependenz, Gemeinschaft (Wechselwirkung); drei der Modalität: Möglichkeit und Unmöglichkeit, Dasein und Nichtsein, Notwendigkeit und Zufälligkeit. Die ersten sechs nannte er mathematische, die andern dynamische. Von den Kategorien trennte er die Formen der sinnlichen Anschauung, Raum und Zeit, und ebenso die Schemata der Einbildungskraft, welche die Kategorien mit den Anschauungen verbinden, zugleich intellektuell und sinnlich sind und in den transzendentalen Zeitbestimmungen (Zeitreihe, Zeitinhalt, Zeitordnung, Zeitinbegriff) bestehen. Aber Kant hat bei seiner Deduktion der Kategorien veraltete und willkürliche Lehren der Logik benutzt. Die Einteilung der Urteile nach Quantität, Qualität, Relation und Modalität ist nicht die natürliche Einteilung derselben, die Untereinteilung der Urteile in allgemeine, partikuläre und singuläre hat nur in Subsumtionsurteilen, in denen Art und Gattung miteinander verbunden werden, Bedeutung; im übrigen ist sie wertlos. Wie sich z.B. ein mathematisches Urteil von einem Subsumtionsurteil unterscheidet, hat Kant nicht richtig erkannt; auch hat Kant den transzendentalen Gebrauch der Kategorien in bezug auf Gegenstände, ihre Gültigkeit innerhalb der Erfahrung wohl im allgemeinen, nicht aber für jede einzelne Kategorie nachzuweisen versucht. So ist die Kategorienlehre Kants in ihren Einzelheiten verfehlt und muß als ein Rest scholastischer Philosophie gelten. Reinhold (1758 bis 1823), der erste namhafte Vertreter des Kantianismus in Jena, hat einen dieser Mängel, die Verfehlung des richtigen Deduktions-prinzipes, empfunden, aber nicht die Kraft besessen, ihm mit seinem Satz des Bewußtseins („Die Vorstellung wird im Bewußtsein vom Vorgestellten und Vorstellenden unterschieden und auf beide bezogen“) abzuhelfen. Die spekulativen Philosophen Fichte (1762-1814), Schelling (1775-1854) und Hegel (1770-1831) haben die Kategorien Kants mit mancher Abweichung wieder hypostasiert und zu Selbstbestimmungen des Absoluten erhoben.

Es blieb also die Aufstellung einer brauchbaren Kategorienlehre für die Philosophie noch immer nach Kant und seinen Nachfolgern eine ungelöste Aufgabe. Die Kategorien sowohl als logische Grundformen unseres Denkens als auch als Formen des Wirklichen mußten sicher festgestellt, ihr Gebrauch kritisch bestimmt werden. Diese Aufgabe ist noch nicht endgültig, aber doch im ganzen zutreffend, z.B. von Lotze und Sigwart (Ding, Eigenschaft, Tätigkeit, Relation), gelöst. Sie kann kaum auf anderem Wege als auf empirischem angefaßt werden. Im allgemeinen dürfte sich herausstellen, daß wir nur wenig Grundbegriffe besitzen, abgesehen von den sinnlichen Formen der Erkenntnis, Raum und Zeit, nur die Begriffe des Subjektes und Objektes, der Verbindung oder Beziehung (Relation), der Zahl, der Substanz und Eigenschaft (Inhärenz), der Ursache und Wirkung. Dem Denken muß ein Inhalt gegeben und dieser vom Ich als Gegenstand des Denkens geschieden werden; die einzelnen Inhalte müssen verbunden und in Beziehung gesetzt, Vielheiten zur Einheit, Teile zum Ganzen zusammengefaßt werden, ein beharrlicher Träger des Unselbständigen muß gedacht und Ursache und Wirkung in der zeitlichen Folge und im Wechselnden unterschieden werden. Bezogen auf Raum und Zeit erhalten diese Grundformen des Denkens, Subjekt, Objekt, Relation, Zahl, Substanz und Inhärenz, Ursache und Wirkung, dann ihre weitere Ausbildung und Vermannigfaltigung in einer großen Fülle von abgeleiteten Vorstellungsformen. Die Beziehung des Denkens auf die Wirklichkeit ist aber unmittelbar durch keine Kategorie, sondern lediglich durch die Empfindung gegeben, so daß die Kategorien für sich nie metaphysische Beziehung gewinnen können. – Vgl. Trendelenburg, Gesch. der Kategorienlehre. 1846. Überweg, System der Logik. 5. Aufl. 1882. Lotze, Grundzüge der Logik. 3. Aufl. 1891. Sigwart, Logik. 2. Aufl. Tübingen 1889-1893. C. Prantl, Gesch. d. Logik. 1855.