- E. A. Poe
- Deutsch von T. Etzel
- Deutsch von H. Lachmann
The Sleeper
At midnight, in the month of June,
I stand beneath the mystic moon.
An opiate vapour, dewy, dim,
Exhales from out her golden rim,
And, softly dripping, drop by drop,
Upon the quiet mountain top,
Steals drowsily and musically
Into the universal valley.
The rosemary nods upon the grave;
The lily lolls upon the wave;
Wrapping the fog about its breast,
The ruin moulders into rest;
Looking like Lethe, see! the lake
A conscious slumber seems to take,
And would not, for the world, awake.
All Beauty sleeps!—and lo! where lies
(Her casement open to the skies)
Irene, with her Destinies!
Oh, lady bright! can it be right—
This window open to the night?
The wanton airs, from the tree-top,
Laughingly through the lattice drop—
The bodiless airs, a wizard rout,
Flit through thy chamber in and out,
And wave the curtain canopy
So fitfully—so fearfully—
Above the closed and fringed lid
’Neath which thy slumb’ring soul lies hid,
That, o’er the floor and down the wall,
Like ghosts the shadows rise and fall!
Oh, lady dear, hast thou no fear?
Why and what art thou dreaming here?
Sure thou art come o’er far-off seas,
A wonder to these garden trees!
Strange is thy pallor! strange thy dress!
Strange, above all, thy length of tress,
And this all solemn silentness!
The lady sleeps! Oh, may her sleep,
Which is enduring, so be deep!
Heaven have her in its sacred keep!
This chamber changed for one more holy,
This bed for one more melancholy,
I pray to God that she may lie
Forever with unopened eye,
While the dim sheeted ghosts go by!
My love, she sleeps! Oh, may her sleep
As it is lasting, so be deep!
Soft may the worms about her creep!
Far in the forest, dim and old,
For her may some tall vault unfold—
Some vault that oft hath flung its black
And winged pannels fluttering back,
Triumphant, o’er the crested palls,
Of her grand family funerals—
Some sepulchre, remote, alone,
Against whose portal she hath thrown,
In childhood, many an idle stone—
Some tomb from out whose sounding door
She ne’er shall force an echo more,
Thrilling to think, poor child of sin!
It was the dead who groaned within.
Die Schlafende
In tiefe Junimitternacht
Der mystische Mond herniederwacht.
Einschläfernde Nebel dunsten leise
Heraus aus seinem goldnen Kreise
Und triefen sanft wie Schlummerlieder
Tropfen um Tropfen sachte nieder
Auf Höhen, schimmernd wie Opal,
Und in das allumfassende Tal.
Auf einem Grab nickt Rosmarin,
Träg lehnt die Lilie drüber hin.
Von leerem Nebel überdacht
Fault die Ruine hinein in Nacht.
Wie Lethe sieh den Weiher ruhn,
Scheint tiefen, tiefen Schlaf zu tun,
Nicht um die Welt erwachte er nun.
Alle Schönheit schläft! – und ach! wo liegt
(Ihr Fenster den Himmeln geöffnet) – wo liegt
Irene, vom Schicksal eingewiegt!
O Schönste! – ach! ich steh’ betroffen:
Das Fenster weit dem Nachtwind offen?
Die Lüfte fallen im Mondenschein
Vom Baum herab durchs Gitter ein –
Sie flüchten flüsternd wie Geisterschar
Durch dein Gemach und stoßen gar
Am Bett den bunten Baldachin
So schaurig her, so schaurig hin
Über des Auges geschlossene Glut,
Darunter die schlummernde Seele ruht,
Daß Schatten gleich Gespenstern weben
Und Wand und Boden irr beleben.
O liebe Dame, banget dir?
Warum und was nur träumst du hier?
Gewiß, du kamst von fernstem Meer,
Ein Wunder, in diesen Garten her!
Seltsam deine Blässe! Seltsam dein Kleid!
Die Locken länger als jederzeit!
Seltsam die düstere Feierlichkeit!
Sie schläft! Und wie sie dauernd ruht,
So ruhe sie auch tief! Und gut
Hab Himmel sie in heiliger Hut!
Heiliger sie jetzt und der Raum,
Schwermütiger sie als je ihr Traum.
O Gott! laß nie ihren Schlaf vergehn,
Ihr Auge nie sich öffnen und sehn,
Indes die Gespenster vorüberwehn!
Meine Liebe, sie schläft! Wie dauernd sie ruht,
So ruhe sie auch tief und gut;
Leis krieche um sie die Würmerbrut!
Mög fern im Forst, in Düster und Duft,
Für sie sich auftun eine Gruft –
Eine Gruft, die oft das schwarze Tor
Aufwarf vor bangem Trauerchor,
Triumphierend über den Wappenflor
Der Toten aus ihrem erhabenen Hause –
Eine Gruft, entlegen wie Einsiedlerklause,
Deren Tor ihr einst beim kindlichen Spiel
Für manchen Stein gedient als Ziel –
Ein Grab, aus dessen tönendem Tor
Sie nimmermehr zwingt ein Echo hervor,
Das dröhnend dem Kind in die Ohren rollte,
Als sei es der Tod, der da drinnen grollte.
Die Schläferin
Ich steh’ um Mitternacht allein
Im mystisch weißen Mondenschein.
Dem vollen, goldenen Gestirne
Entströmen feuchte Nebeldünste
Und fallen auf die blauen Firne
Wie silberweiße Lichtgespinnste,
Um sich von dort melodisch leise,
Und schläfrig langsam, tropfenweise,
Wie bunte, schimmernde Juwelen
In das entschlafne Thal zu stehlen.
Vom Grabe winkt der Rosmarin
Zu den verschlafnen Lilien hin;
Die wankenden Ruinen raffen
Erschauernd um die morschen Glieder
Ihr Nebelkleid und sinken nieder,
In alle Ewigkeit zu schlafen;
Der See dort – Lethe ist nicht stummer
Als er in seinem tiefen Schlummer.
Es ruht das All. Die Zweige nicken
Süß eingewiegt – wo aber liegt
Irene mit ihren Geschicken?
O wundersame, bleichwangige Dame,
Wie unbedacht, dies Fenster bei Nacht
So offen den Gästen, die von den Aesten
Mutwillig hüpfen, in’s Zimmer schlüpfen,
Den Winden, den losen, fürwitzigen Rangen,
Die in den Gardinen sich lachend verfangen,
Und sie so unbändig und so beständig
Zerren und zausen dicht über den langen
Seidenen Wimpern auf deinen Wangen,
Daß über den Boden weg durch das Fenster
Die Schatten fallen wie schwarze Gespenster.
O wundersame, bleichwangige Dame,
Wo kommst du her? Wohl gar übers Meer?
Und sag’ mir, warum nur bist du so stumm?
Ist dir wohl bang? Du bist so eigen,
Dein Haar ist so lang, so seltsam dein Schweigen!
Die Dame schläft. O wär’ so mild
Ihr Schlummer, als er lange währt!
Der Himmel sei ihr heilger Schild.
Mag sie auf ewig ungestört,
In einem heiligeren Bette,
An melancholischerer Stätte,
Wo sich Cypressen leise wiegen,
Mit festgeschlossnen Augen liegen!
Es schläft mein Lieb. O, daß so mild
Ihr Schlummer, als er ewig ist!
Daß sich ihr eine Gruft erschließt
In einem Walde dicht und wild,
Ein tiefes, ruhevolles Grab
An einem stillen Ort, fernab –
So eine festverschloss’ne Gruft,
Aus der sie fürder nichts mehr ruft,
Die Reue nicht, die Buße nicht,
Bis an das ewige Gericht. –