Politik und Wirtschaft
»Und wissen Sie, wer an der ganzen Sache schuld ist? Das wer ich Ihnen sagen: die Beamten sind schuld. Oder glauben Sie vielleicht, die Kaufleute sind schuld?«
»Nein.«
»Die Beamten sind schuld. Nur die Beamten. Sehn Sie sich mal diese Verwaltung an – sehn Sie sich das mal an! Sehn Sie da noch was von Treu und Glauben? von Verantwortung? von Rücksichtnahme … ? Es ist reine, als ob wir ihretwegen da sind und die nicht unsretwegen. Oder sind wir vielleicht ihretwegen da?«
»Nein.«
»Sag ich auch. Die Leute … ich meine … die Leute müßten … man müßte jeden einzelnen … ich meine … verstehn Sie mich … jeden einzelnen … oder glauben Sie vielleicht, da sollte einer 'ne Extrawurst haben ?«
»Nein.«
»Sehn Se – das ist mein Programm, und da geh ich nicht einen Buchstaben von ab. Nicht einen Buchstaben. Bevor wir das nicht durchgesetzt haben, was ich Ihnen hier eben kurz skizziert habe, vorher wird das nicht besser. Vorher nicht. Glauben Sie vielleicht, dass es vorher besser wird?«
»Nein.«
»Sehn Se mal zum Beispiel in meinem Betrieb. Da reden die Angestellten immer so dicke Töne – die sollten erst mal … ich meine … die sollten mal erst unsere Verantwortung tragen. Meinen Sie, es ist einfach? Ich habe erst jetzt wieder acht Mann entlassen. Die Kündigung ist glatt durchgegangen; ich kann mir die Arbeit auch nicht aus dem Boden stampfen. Was? Nein, kann ich nicht. Da hab ich sie eben rausgesetzt.«
»Ja.«
»Sie haben gut reden. Natürlich … da waren welche dabei, die waren schon jahrelang bei mir … darauf kann man keine Rücksicht nehmen. Kann man nicht. Kann man heute einfach nicht! Jeder ist sich selbst der Nächste, wie?«
»Ja.«
»Das verstehn Sie nicht. Ich meine … Jetzt ist da eine faule Sache … der eine war jahrelang in der Buchhalterei, der hat wohl die Steueraufstellungen zu sehen bekommen … also für die Steuer … und da hat er neulich eine Andeutung gemacht … «
»Ja.«
»Was wollen Sie damit sagen, Herr? Was wollen Sie damit sagen? Meine Steueraufstellungen sind prima, verstehn Sie mich, primissima, die kann jeder sehen, jeder. Die Steuer kann sie sehen, und ich kann sie sehen, jeder kann sie sehen. Nur eben der Buchhalter – das war nu faul. Wir haben uns aber verständigt; ich hab 'n wieder eingestellt. Trotzdem ich das gar nicht nötig hatte.«
»Ja.«
»Hörn Se mal – Sie sind aber 'n komischer Mensch! Sie ham aber komische Prinzipien … In der heutigen Zeit? Na, hörn Se mal an! Sie sind doch nicht etwa unter die Bolschewisten gegangen! Sie – – –«
»Nein.«
»Sie widersprechen sich in einem fort. Vorhin haben Sie Ja gesagt … ! Ich kann Ihnen nur das eine sagen: Bevor es nicht besser wird, wird es nicht besser – das ist meine Meinung von der Sache! Und schuld sind die Beamten, die können von uns Kaufleuten noch alle Tage lernen, das sag ich Ihnen, und das ist meine Meinung. Denn wissen Sie, was uns fehlt? Uns fehlt eine Verwaltung, die so ehrlich ist wie wir Kaufleute, und eine Wirtschaft, die so organisiert ist wie die gute alte Verwaltung – und dann sollen Sie mal sehen. Ich bin ein friedfertiger Mensch, aber wenns dann losgeht, da nehm ich die Knarre noch mal auf den Buckel. Ich bin ja Gott sei Dank schon über das Alter raus … aber ich nehm sie auf den Buckel. Und dann holen wir uns unsere Kolonien wieder! Und da machen wir unsere Geschäfte, und was übrigbleibt, das wird verwaltet, und wissen Sie, wer schuld ist an der ganzen Sache? Die Beamten. Und in diesem Sinne habe ich auch gewählt. Denn ich weiß, was ich will – das wissen sie alle, alle – – –«
Peter Panter
Simplicissimus, 17.11.1930, S. 405.