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Die Republikanische Beschwerdestelle

muß doch wohl sehr gute Arbeit leisten, sonst wäre die Rechtspresse nicht so aus dem Häuschen, wenn sie von ihr spricht. Da sitzt einer, der weiß mit den Bestimmungen Bescheid, und was er macht, hat Hand und Fuß, und recht bekommt der Kerl auch noch –! Der eine ist Alfred Falk, ein Republikaner, wie man sich viele wünscht.

Nun hat da neulich irgend so ein Patriot von der ›Judenrepublik‹ gesprochen, damit also zugegeben, er glaube, dass der halbe Prozent Deutscher, der der jüdischen Rasse angehört, fähig wäre, ganz Deutschland zu unterjochen. Herzlichen Glückwunsch! Es gab einen Prozeß. Falk, tapfer wie immer, ging ran an den Speck und schrieb einem der beteiligten nationalen Anwälte einen Brief. In diesem Brief hat sich Falk auch auf mich bezogen.

Und nun läßt sich also die ›Deutsche Zeitung‹ dazu folgendermaßen vernehmen:

»Ein altes deutsches Sprichwort heißt: ›Sage mir, mit wem du umgehst und ich will dir sagen, wer du bist.‹ Herr Falk rechnet es sich zur Ehre an, mit dem pariser Juden Ignaz Wrobel zusammen genannt zu werden, der für seinen schamlosen Ausspruch: ›Die Toten des Weltkrieges sind für einen Dreck gefallen‹, – in einem pariser Kaffeehause von einem französischen Frontsoldaten öffentlich geohrfeigt worden ist. – Wir gönnen diesen beiden Ehrenmännern ihr trautes Freundschaftsverhältnis, bedauern jedoch, dass deutsche Regierungsstellen, anstatt in aller Öffentlichkeit von Herrn Falk und seinem ›Kontrollorgan‹ abzurücken, sich der Mitarbeit eines Mannes bedienen, der von dem feldgrauen Ehrenkleide, das neben Millionen deutscher Helden auch der gegenwärtige Präsident des deutschen Reiches, Generalfeldmarschall v. Hindenburg, über vier Jahre hindurch getragen hat, als ›Zwangsjacke des preußischen Militarismus‹ beschimpft und zu behaupten wagt, dass an ihm ›der Fluch Tausender deutscher Soldaten‹ hänge.«

Abgesehen davon, dass die Herren aus der Konstruktion gerutscht sind:

Daß ich Pariser bin, habe ich schon immer gewußt. Ich heiße mit meinem richtigen Namen Arsène Lupin und habe in Paris eine gutgehende Einbrecherei. Aber die Sache mit der Ohrfeige, der ich schon mehrere Male im Morast der Nationalen begegnet bin, die wollen wir doch einmal in Ordnung bringen.

Ich weiß nicht, wie das bei den Patrioten hergeht: ich für mein Teil halte an Stammtischen keine Reden, weil ich jede Woche zu einer Schar Freunde sprechen kann, die mir quantitativ und qualitativ genügt. Wozu also sollte ich Zeit und Kraft an acht Männerchen verschwenden, wenn ich zu zwanzigtausend sprechen kann?

Nach den etwa vierzig oder fünfzig Vorträgen, die ich im Laufe der Jahre in Paris über Deutschland gehalten habe (aber nicht in Cafés), ist niemals ein Zwischenfall erfolgt; niemals hat mich ein Franzose geohrfeigt, niemals habe ich mit einem französischen ehemaligen Soldaten irgend eine Auseinandersetzung gehabt, bei der auch nur die Stimmen erhoben worden sind. Weil ich aber weiß, dass es in den Kreisen, die die ›Deutsche Zeitung‹ lesen, für ehrenrührig gilt, wenn sich ein andrer pöbelhaft benimmt, so sage ich ihr, dass selbst, wenn mich ein Franzose dafür geprügelt hätte, dass ich den Krieg ein Verbrechen und seine Ziele einen Dreck genannt habe, ich auch das nicht als eine Widerlegung meiner Arbeit auffasse. Wäre ich ein schwächlicher Mensch: der Krieg bleibt ein Verbrechen. Läge ich zerschlagen auf der Straße: der Krieg bleibt ein Verbrechen. Aber es gibt viele Franzosen, die den Krieg so beurteilen wie ich; auf jeden Leser der ›Deutschen Zeitung‹ kommen etwa zehntausend, was gewiß noch nicht viel ist – aber es ist schon ganz hübsch.

Alfred Falk hat recht und abermals recht:

An der feldgrauen Joppe hängt der Fluch Tausender deutscher Soldaten, und diese Affenjacke ist eine Zwangsjacke des preußischen Militarismus gewesen.

Ja, wenn man die Sache mit Ohrfeigen aus der Welt schaffen könnte … Dann hätte Ludendorff Herrn Foch geohrfeigt und Falkenhayn Herrn Joffre, und vielleicht hätten sie da einen Sieg erfochten, der ihnen, um ein Haar, was: um ein Haar! – um die Stirnbreite eines pommerschen Gutsbesitzers entgangen ist.

Meinen Ausspruch aber: »Die Toten des Weltkrieges sind für einen Dreck gefallen« möchte ich modifizieren.

Sie sind für die ›Deutsche Zeitung‹ gefallen.

Ignaz Wrobel
Die Weltbühne, 18.09.1928, Nr. 38, S. 459.