Zum Hauptinhalt springen

Aphrodisiaka

Aphrodisiaka. Die Mittel, welche gegen Impotenz und ad irritamentum coneubitus empfohlen werden, sind auch unter dem Volk verschieden. Die besten Mittel, das zu frühe Eintreten der Impotenz, d. h. vor dem 60. bis 70. Jahre, zu verhüten, sind: Mäßigkeit in allen Sinnesgenüssen, vorzüglich was den sechsten Sinn anbetrifft, einfache Lebensweise im Essen und Trinken, wo einfache gesunde, nicht zu reizende Speisen zur Stillung des Hungers, und Wasser und Bier zur Stillung des Durstes dienen. Nichts in der Welt führt aber so schnell und so früh Impotenz herbei, als der unmäßige tägliche Genuss der Spirituosa, besonders des Branntweins, Rums, Arraks, Kognacs und sonstiger gebrannten Wasser. Weniger schädlich ist der Wein; dennoch führt auch er, zumal wenn schwere Weine: Madeira, Portwein, Teneriffa in Menge getrunken werden, oft schnell zur Impotenz. Ich habe wohlbeleibte Männer von kaum 40 Jahren behandelt, welche die verlorene Manneskraft wieder zu erhalten wünschten. Sie mussten den übermäßig genossenen Spirituosis gänzlich entsagen, dagegen recht viel kaltes Wasser trinken (auch mäßig kräftiges Weissbier), dabei kalt baden, viel in das Freie gehen, und sie bekamen unter Beihilfe stärkender, nicht stimulierender Arzneien sämtlich ihre Potenz wieder; doch nur unter Beobachtung gänzlicher Enthaltsamkeit der Spirituosa und des Coitus während der Kur. welche 10—20 Wochen fortgesetzt werden musste.

Unter den Nahrungsmitteln werden allgemein für stimulierend gehalten: Morcheln, Zwiebeln, Rettich, Senf, Rüben, Quitten, Kastanien, Schokolade, Gewürze, Ingwer, Eier, Fische, namentlich Knorpelfische, z. B. Rochen und andere Seefische; die Milch der Fische, besonders Kaviar, endlich: Austern, Muscheln, Tintenfische. Auch das Johannislauch (Allium ascalonicum) wird in Norddeutschland als Stimulans empfohlen. Auf ähnliche Weise scheinen schon Columella (L. X. c. 11) und Martial (L. III. 75. L. XIII. bi) die bulbi salaces, ein Zwiebelgericht, gerühmt zu haben.

Untersuchen wir genau die große Menge der im Volk für stimulierend gehaltenen Mittel, so werden wir finden, dass viele derselben an sich ohne Wirkung sind, und dass sie ihren Ruf nur dem Umständ verdanken, dass sie die Phantasie des Kranken aufregen. Die wirksamsten sind, nach meinen eigenen und nach fremden Erfahrungen, folgende:

1) Das Massieren, wie es in den orientalischen Bädern üblich ist. Am wirksamsten ist dasselbe in Verbindung mit russischen Dampfbädern, zwei- bis dreimal wöchentlich. Es entfernt nicht allein die Impotenz bei den Männern, sondern auch die Sterilität bei Frauenzimmern.

2) Die Schildkrötensuppe der Engländer, Hamburger u. s. w. Sie besteht aus starker Bouillon, Madeirawein, Franzbranntwein, spanischem und schwarzem Pfeffer, Gewürznelken, Eidottern und dem Fett und Fleisch der grünen Seeschildkröte (Testudo mydas). Osiander (a. a. O. S. 384) sagt, dass die Wirkung dieser kräftigen Speise außerordentlich sei. „A thing to dream of, not to tell.“

3) Unter den Gewürzen steht der spanische Pfeffer obenan; er spielt in allen komponierten Aphrodisiacis die Hauptrolle, namentlich in der Schildkrötensuppe, in dem Gaspacho (ein Gericht aus Weißbrot, Oliven, Salz, Knoblauch, spanischem Pfeffer) der Spanier, in dem Gulyás-hus (Speck, gebratenes Rindfleisch, span. Pfeffer u. s. w.) der Ungarn u. a. m. — Auch der Rauschpfeffer (Piper methysticum) ist stimulierend and berauschend zugleich. Die Südsee-Insulaner bereiten daraus den Ava- oder Cavatrank, indem sie ihn mit kochendem Wasser infundieren, welchen Trank sie leidenschaftlich lieben. (S. Mariner an account of the natives of the Tonga Isl. Lond. 1817. T. II, c, 20). In Japan lobt man als Stimulans eine aus gepulverten Seealgen bereitete Gallertsubstanz, die als künstliche Vogelnester „ Dschinshan“ in Handel kommt.

4) Wer sich selbst ohne Beihilfe des Arztes von seiner Impotenz heilen will, muss den konkreten Fall und die Umstände und Verhältnisse sorgsam zu unterscheiden wissen und darnach die Mittel wählen. Hier bemerke ich Folgendes:

a) Bei robusten, wohlgenährten Männern rührt die Impotenz nicht selten von einem reizlosen Zustande der Nerven her. Sie haben sich durch Missbrauch der Spirituosa, starker Bitterbiere, reizender Speisen u. s. w. abgestumpft. Hier passen weder Schildkröten- und Aalsuppe, noch spanischer Pfeffer u. s. w. Das beste Mittel ist und bleibt hier das kalte Wasser, innerlich und äußerlich; dabei schmale, einfache Kost, viel Arbeit im Freien, und 8—10 Wochen lang gänzliche Enthaltung des Coitus.

b) Ist aber die Konstitution des Körpers schwächlich, ist der Mann klein, hager, mager, vielleicht schon früher durch Onanie und andere Ausschweifungen geschwächt, so passen vorzüglich gute kräftige tierische Nahrung, wie die Suppen von Schildkröten, die Hamburger Aalsuppe, bestehend aus starker Fleischbrühe, Haferschleim, Petersilienwurzeln, gelben Wurzeln, grünen Erbsen, Birnen, zerschnittenem Aal, Mehlklössen, Salbei, Basilikum, Sellerie, Majoran, Thymian, Essig und Zucker, gekochte und gebackene Eier u. s. w.; außerdem muss ein solcher Mann täglich eine halbe bis ganze Flasche guten Wein trinken, der unter diesen Umständen das beste Stimulans ist. In dieser Beziehung hat Aretaeus Recht, wenn er sagt: „vinum est nervorum calefactio, animae remollitio, voluptatis revocatio, geniturae creatio, venerisque excitalio“; und Chaptal (Traité sur la culture de la vigne, Paris 1801 T. I. p. 83) versichert, dass sich zu Joigny das Sprichwort: „que le bon vin fait faire des enfans mâles“ bestätige, indem dort noch einmal so viel Knaben als Mädchen angetroffen würden.

5) Osiander (a. a. O.) führt noch folgende Dinge gegen Impotenz auf, welche zum Teil mehr als Mittel, die momentan stimulieren, denn als Radikalkur der Impotenz auf die Dauer angesehen werden müssen. Hierher gehören: ein Bett von Eiderdunen, die Gerüche von Ambra, Moschus und anderen stark riechenden Dingen, der Genuss eines hartgekochten Eis, worauf etwas Ambra gestreuet worden u. s. w.

6) Ein wirksames Stimulans bei anfangender Impotenz, welches zwei bis drei Stunden ante actum zu gebrauchen ist, lernte ich einst von einem Engländer kennen. Man verzehrt vier bis acht weichgekochte Eier und verspeist diese mit folgendem Gewürzpulver:

Nr. 23. Nimm: feine Zimtkassie, Muskatnuss, spanischen Pfeffer, von jedem ein halb Lot, Ingwer 1½ Lot, reifen Zwiebelsamen ein halb Quäntchen, Zucker ein Lot. Man pulverisiert diese Ingredienzien, mischt Alles gehörig und nimmt davon zu jedem Ei so viel, dass das Ganze ein bis zwei Teelöffel voll beträgt.