Zum Hauptinhalt springen

Worte und Geschlechtstrieb

Sehr beachtenswert für die Macht der menschlichen Vorstellungen und Worte scheint mir der Unterschied des menschlichen und des tierischen Geschlechtstriebes zu sein, wenn der Grund wirklich — wie kaum zu zweifeln — in einer gewissen Entartung des Menschen, in der Unabhängigkeit des Menschen vom unmittelbaren Reize liegt. Es scheint nämlich, daß bei den Tieren die Disposition des Weibchens entscheidet, daß das Männchen auf diese in seltenen Perioden wiederkehrende Disposition durch die Schärfe seines Geruchs reagiert, und daß darum das Ganze an gewisse Perioden gebunden ist. Ähnlich scharfe Sinne für die Disposition des Weibchens sind von europäischen Reisenden noch bei menschlichen Bewohnern von Inseln des Stillen Ozeans beschrieben worden.

Bei den Menschen ist der Trieb sonst bekanntlich an keine Periode gebunden, und es wird das oft als ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Menschen und Tieren angeführt. Nicht nur beim Männchen, sondern auch beim Weibchen wird der Trieb durch bloße Vorstellungen ausgelöst. Man mache sich aber das Wesen des Unterschiedes klar, wenn bei den Tieren die Disposition des Weibchens auf die Geruchsorgane des Männchens wirkt (also körperlich) und die Reaktion erzeugt, und wenn beim Menschen der Anblick des Weibchens beziehungsweise des Männchens, also der weit unkörperlichere optische Sinn, die gleiche Reaktion hervorruft.