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Urzeit der Sprache

Denken wir uns in die Zeit der Sprachentstehung hinein, so müssen wir uns allerdings mit einer schematischen. Vorstellung begnügen, weil wir doch von den wirklichen Vorgängen nichts wissen. Einer der sichersten Züge jener schematischen Vorstellung wäre aber eine große Armut an Worten und darum ein großer Begriffsreichtum der einzelnen Worte; ein anderer sicherer Zug wäre das rasche Wachstum der Sprache in einer solchen Urzeit, in welcher die Sprachbereicherung alle energischen Köpfe etwa so beschäftigt haben mag, wie später einmal das Entdecken neuer Länder oder wie heute das Erfinden elektrischer Maschinen. In jener problematischen Urzeit war das Sprechen sicherlich noch ungemein schwer, weil es fast unaufhörlich ein Neudenken oder Neusprechen war. So ein Urmensch besaß z. B. im Gebrauche seines Stammes schon ein Wort, welches ungefähr so viel wie unser "Hülsenfrüchte" bedeutete, oder auch nur die allgemeine Bedeutung Pflanzennahrung hatte. Nun folgte dieser Kerl einmal der Not oder der Neugier oder seinem Geruch oder dem Zureden eines fremden Tauschhändlers, kostete Reiskörner und fand sie schmackhaft und bekömmlich. Wenn er nun zu seinen Stammesgenossen zurückkehrte, eine Handvoll Reis mitbrachte und sie mit dem Worte überreichte, das vorher halb Pflanzennahrung halb Hülsenfrucht bedeutet hatte, so dachte und sprach er neu. Das Beispiel ist natürlich erfunden, aber wir können nicht umhin, uns die Sprachentwicklung der Urzeit so zu denken.