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Begriff und Urteil

Die gleiche Verwirrung herrscht zwischen Begriff und Urteil. Zwischen den Korrelatbegriffen Wort und Satz kann diese Verwirrung nicht so herrschen, weil Wort und Satz äußere Erscheinungen sind, die jedes Kind auseinander halten lernt. Das ist ja klar, dass der Satz "der Pudel ist ein Hund" oder "der Hund ist ein Tier" mehr ist als etwa das Wort Pudel oder Hund. Für die Psychologie jedoch ist es gar sehr fraglich, ob das Urteil "der Pudel ist ein Hund" irgendwie mehr ist als der Begriff der Pudel, ob eine gewisse Menge Alkohol dadurch vermehrt wird, dass ich Wasser zugieße. Es kann sogar vorkommen, dass der Alkohol, als Ursache einer Wirkung auf mich, durch Wasser weniger wird. Ohne Bild: es kann vorkommen, dass die Verwässerung eines Begriffs durch allzu breit getretene Urteile den Begriff abschwächt. Mir scheint es in dem wirklichen Geistesleben des Menschen, das man nicht den Schulbeispielen der Schulpsychologie gleichsetzen darf, nur eine Frage der Aufmerksamkeit, ob wir den Begriff oder das Urteil als das Primäre empfinden sollen. In Kants analytischen Urteilen (die wertlos sind und vielleicht trotzdem die einzigen Urteile, die es gibt) wird das Verhältnis klar: die Urteile gehen aus dem Begriff von selbst hervor, weil die Begriffe nur ökonomisch zusammengefaßte Urteile sind. "Begriffe sind potentielle Urteile" (Riehl).

An dieser Stelle glauben wir nun eine deutliche Differenz zwischen Begriff und Wort wahrzunehmen und müssen sofort vermuten, dass auf einer höhern Stufe auch Denken und Sprechen oder Vernunftgebrauch und Sprachgebrauch verschieden sein werde. Ich will darauf zurückkommen und bitte gleich hier zu beachten, dass sich der Ausdruck Sprachgebrauch ganz von selbst als eine entsprechende Bezeichnung für die konkrete Tätigkeit der Sprachorgane ergeben hat.