Symmetrie
[B 54] Es ist wirklich möglich, dass, wenn Teile im Gehirn, die symmetrisch sein sollen, es nicht sind, dieses zum Vorteil des Verstandes dienen könne, wir können mit einem Auge genug haben, so auch mit einer Seite des Gehirns, die andere kann durch zufällige Umstände eher verhärten oder sonst Veränderungen leiden, die denn das Resultat der ganzen Stellung des Gehirns bei einer Idee verändern. Ausgewachsene Personen sollen öfters sehr scharfsinnig sein, die verwachsene Seite verhärtet mehr und vielleicht folgt eine ähnliche einseitige Veränderung im Gehirne, die dem Genie, das ohnehin schon jemand für einen kränklichen Zustand erklärt hat, eher vorteilhaft als schädlich ist. Ich habe bemerkt, daß Personen, in deren Gesichtern ein gewisser Mangel von Symmetrie war, oft die feinsten Köpfe waren. Wenn einem gewissen Bildnis zu trauen war, das ich von Herrn von Voltaire gesehen habe, und von dem man mir versicherte, dass es ein Abguß wäre von einer Form, die man in Mannheim über sein Gesicht gegossen habe, so ist die eine Seite des Gesichts viel kürzer als die andere, auch die Nase, wiewohl kaum merklich, schief. K...r von der einen Seite betrachtet sieht viel jünger aus, als von der andern. Diesen beiden merkwürdigen Gesichtern gibt eben dieses wiewohl nicht anstößige Irreguläre einen gewissen Schwung, aus welchem alles das Salz und die Bitterkeit hervorblickt, die ihre Schriften so charakteristisch gemacht haben. Ein Mensch, dessen eines Auge ein Perspektiv, das andere ein Mikroskop wäre, wird unter gewöhnlichen Menschen eine sonderbare Figur spielen.
[E 146] Nachdem die Theorie von der Notwendigkeit eines Mangels an Symmetrie, um original zu sein, ist gegeben worden, so kann gesagt werden: Ich hielte daher für ratsam, dass man den neugebornen Kindern einen sanften Schlag mit geballter Faust auf den Kopf gäbe, der, ohne ihnen zu schaden, die Symmetrie des Gehirns etwas verrückte. Ich riete ihn ja nicht grade auf die Stirne oder oben oder hinten hin zu geben, auch nicht auf die Seite, weil dieses die Symmetrie keinesweges affizieren würde. Denn in den drei ersten Fällen werden beide Seiten gleich stark unmittelbar getroffen und in dem letzten würde die Reaktion der gegenüberstehenden Seite statt eines Schlages von der entgegengesetzten Seite sein. Ich riete also unmaßgeblich den Schlag grade über einem von den beiden äußern Augenwinkeln anzubringen, denn da alsdann Teile von einer ganz andern Struktur und Lage in Reaktion gebracht werden, so kann es nicht anders sein, als dass endlich die schönste Asymmetrie des Gehirnes erhalten werden wird. Von hinten auf den Kopf zu schlagen wollte ich deswegen nicht raten, weil das Cerebellum oder die Hintergebäude der Seele [da] liegen, wo bekanntlich die Werke des Witzes nicht verarbeitet [werden], und die Seele sich mit auswärtigen Affairen nicht abgibt. Ich habe deswegen oft mit Verdruß bemerkt, dass die Schläge auf den Kopf oder die sogenannten Ohrfeigen in unsern Schulen abkommen und nur noch in der großen Gesellschaft, wo sie ganz umsonst angebracht werden, weil die Köpfe alsdann gewöhnlich schon in das Holz gegangen sind, Mode sind. Man hat Exempel, dass Leute, die auf den Kopf gefallen oder darauf mit einem Prügel geschlagen worden sind, zuweilen angefangen haben zu weissagen, und anders von den Dingen in der Welt zu denken, als andere Menschen (die Regeln der Grammatik ausgenommen). Dieses hieß nun freilich dem Guten zu viel tun, und ich erkläre noch alles hierin aus einer symmetrischen Zerrüttung des Gehirns, allein kein Mensch kann leugnen, dass der beneidenswürdigste Kopf in dieser Welt derjenige wäre, den man vergöttern würde, wenn er die eine Seite nicht hätte, und den man in Bedlam einsperren müßte, wenn die andere nicht wäre, das sind die großen Seelen die Affe und Engel zugleich sind, und die freilich zuweilen die läppischen Ideen des erstern mit dem transzendenten Periodenklang des letztern, oder die sonnhellen Ideen des letztern mit den hundsföttischen unverständlichen Zeichen des ersteren ausdrücken. Weiter. Warum schlagen sich die Menschen an den Kopf wenn sie etwas nicht wissen, was sie hätten wissen sollen, ein Gebrauch der den Menschen natürlich ist? Das Kopfschütteln, einige zuerst nach der Rechten, andere nach der Linken.