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Junkertum

Junkertum, mindestens seit dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts als scheltendes Schlagwort gebräuchlich, das aber nicht wie früher öfters das einfache Wort Junker gegen das vornehme Genußleben, sondern vielmehr gegen das arrogante und herausfordernde Auftreten gewisser Adeligen zielt. Seit den vierziger Jahren etwa wird der Ausdruck ein Schelt- und Kampfeswort von spezifisch politischer Färbung, um damit vornehmlich preußische adelige Gutsherren östlich der Elbe zu treffen.

Vgl. Gombert ZfdW. 7, 7 f., der schon 1819 im Intelligenzblatt zum Stuttg. Morgenblatt S. 123 einen Aufsatz mit der Überschrift: Junkertum nachweist. Im gleichen Jahr schreibt Görres 4, 240 die kräftigen Worte über den Adel: „Die Torheit des leeren Hochmuts auf bloß konventionelle Vorzüge, die Aufgeblasenheit hohler Eitelkeit, das ganze, dünkelhafte, anmaßliche Junkertum ist die Fabel und der Spott der Zeit geworden.“

Menzel, Deutsche Literatur 4, 86 (1836) bemerkt über Julius v. Voß, dass er die preußischen Zustände vor und unmittelbar nach der Schlacht von Jena besser aufgefaßt habe als irgend ein anderer, und fährt darauf fort: „Mehrere seiner Romane schildern das Junkertum, die Liederlichkeit u. im damaligen preußischen Heere.“

Die in den Revolutionsjahren dann sehr beliebte Zusammenfassung von Junkern und Pfaffen findet sich schon bei Jahn 2, 970 (1840), der an einen Freund in Lyon schreibt: „Eure jüngste Staatsveränderung hat einen Geldadel gestiftet, das schauderhafteste Junkertum von allen denkbaren, und ein Pfaffentum der Presse des Tages.“ Beachtlich ist ferner die Notiz von Varnhagen, Tageb. 4, 82 (1847): „Die Verhandlung über die Bescholtenheit zeigt klar, wie sehr das Junkertum vorherrscht.“ Während so das Fehdewort seit Mitte der vierziger Jahre (vergl. z. B. auch Grenzb. 1845, 2. Sem. 4, 47 f.) mit wachsender Heftigkeit im politischen Leben ertönte, war Bismarck Manns genug, am 8. April 1851 in der zweiten Kammer des preußischen Landtags tapfer ein Paroli zu bieten (Polit. Reden 1, 405): „Wenn von seiten der Herren Abgeordneten für Aachen, für Hagen oder des Herrn Peter Minus die Rede vom Junkertum ist, so glaube ich, dasselbe Recht zu haben, diesen Ausdruck auf mich und meine politischen Freunde zu beziehen, welches beispielsweise ein pflichtgetreuer Offzier hat, sich gemeint und geehrt zu finden, wenn Demokraten von Söldlingen u. dgl. reden. Die Whigs und die Tories waren auch Ausdrücke, die ursprünglich etwas Geringschätziges bezeichneten, und seien sie versichert, wir werden unsererseits den Namen des Junkertums auch noch zu Ehren und Ansehen bringen".

Schon 1849 hatte er übrigens die Phrase vom Junkerparlament (Polit. Reden 1, 70) überlegen zurückgewiesen. Den abschätzigen Beigeschmack hat aber auch Bismarck dem Worte Junker und entsprechenden Zusammensetzungen nicht zu nehmen vermocht. Vielmehr galt er selbst noch geraume Zeit geradezu als Prototyp dieses viel bekämpften Standes. Interessant ist dafür die bezeichnende Charakteristik, die Bamberger 3, 350 im „Monsieur de Bismarck“ (1867) entwirft: "Le véritable junker est avant tout le rejeton d’une famille militaire, mélange de cavalier à la Stuart, de souslieutenant prussien, de baron féodal germanique et de Don Quichotte espagnol.“

Seit den siebziger Jahren hat die sozialdemokratische Presse als neue Spielart das gehässige Stichwort vom Schlotjunker geprägt. Vgl. Sanders, Ergb. S. 290, Mehring (1879) S. 178 und Soz. Monatshefte 2, 1 (1898), wo „Spiritusbarone und Schlohunker“ zusammengesteltt werden.