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Lust

Lust (lat. voluptas), die eine der qualitativen Grundarten des Gefühls, ist das Gefühl der Befriedigung, welches entweder aus der Förderung unseres Lebensgefühls oder ans der Beseitigung seiner Hemmung entspringt. So bereitet uns ebenso die Befreiung aus unbequemer Lage Lust als der Genuß irgend einer Annehmlichkeit. Die von der Vorstellung eines Gegenstandes erzeugte Lust wird allmählich zum Trieb und zur Begierde, nach dem Besitz desselben zu streben. Die einem Eindruck oder einer Beschäftigung beigemischte Lust heißt das Angenehme. Lust schöpfen wir ebenso aus der Gegenwart (Genuß), wie aus der Vergangenheit (Erinnerung) und der Zukunft (Hoffnung). Das Angenehme der sinnlichen Eindrücke heißt sinnliche Lust (vgl. Gut); sobald die Fähigkeit, Angenehmes als solches zu empfinden, ermattet, ist dies ein Zeichen von Ungesundheit. Man unterscheidet subjektive und objektive Lust; die subjektiven Lustgefühle erzeugen sich bei jedem Menschen verschieden je nach Temperament, Neigungen und Stimmungen in den verschiedenen Graden der Heiterkeit, Fröhlichkeit, Lustigkeit und Ausgelassenheit; die objektiven Lustgefühle dagegen entstehen bei allen auf gleiche Weise: es sind die moralischen, ästhetischen, religiösen und intellektuellen Lustgefühle. Die Erklärung des Wesens der Lust ist nicht leicht. Während Aristippos (um 435-355) die Lust in die sanfte Bewegung setzt, läßt Platon (427-347) sie aus dem von Natur Angemessenen entstehn. Aristoteles (384-322) definiert sie als Energie des natürlichen Zustandes. Hobbes (1588-1679) leitet sie aus dem Verhältnis des Reizes zur Bewegung der Lebensgeister im Herzen und in den Nerven ab; ähnlich läßt sie Hartley (1704-1756) aus der Schwingungsweite der Vibrationen der Nervenfaser hervorgehn. Teleologisch betrachtete Leibniz (1646-1716) die Lust als das Gefühl einer Vollkommenheit an uns oder anderen. Ähnlich definiert Mendelssohn (1729-1786) das sinnliche Vergnügen als die Vorstellung einer erhöhten Vollkommenheit des Leibes. Kant (1724-1804) sieht in der Lust „die Vorstellung der Übereinstimmung des Gegenstandes oder der Handlung mit den subjektiven Bedingungen des Lebens, d. i. mit dem Vermögen der Qualität einer Vorstellung in Ansehung der Wirklichkeit ihres Objekts (oder der Bestimmung der Kräfte des Subjekts zur Handlung, es hervorzubringen)“, Kr. d. pr. V. S. 16, Anmerkung, oder auch „das Bewußtsein der Kausalität einer Vorstellung in Absicht auf den Zustand des Subjekts, es in demselben zu erhellen“, Kr. d. Urt. S. 33. Schopenhauer (1788-1860) dagegen hat die Negativität der Lust einseitig betont, sie ist ihm bloße Schmerzlosigkeit, woraus dann folgt, daß kein Schmerz durch Lust je aufgewogen werden könne. Nach Wundt (geb. 1832) bilden die Lust- und Unlustgefühle eine der drei Hauptrichtungen der Gefühle. Vgl. Gefühl. Wundt, Grundr. d. Psycholog., § 7, 7, S. 99 f. Über die Bedeutung der Lust für die Ethik s. Hedoniker, Eudämonismus. Vgl. Nahlowsky, d. Gefühlsleben. 2. Aufl. 1884.