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Spätere Notiz

(Mai 1854)

Der vorstehende Bericht ist von der Redaktion der „Allgemeinen Zeitung“ nicht aufgenommen worden, und wir drucken ihn hier nach alten Brouillons, die der Zufall erhalten. Indem aus diesem Berichte hervorgeht, wie unverdient die Rüge war, welche ein früherer Artikel über den Deputierten Benoît Fould aussprach, zeigen wir, wie wenig es uns zu jener Zeit einfiel, in jenem Artikel eine Ungerechtigkeit zu begehen. Es kam uns damals ebenfalls nicht in den Sinn, die persönliche Erscheinung des erwähnten Deputierten zu verunglimpfen und zu diesem Behufe ein Spottwort des „Nationals“ zu zitieren. Schwärmerische Freunde des Herrn Benoît Fould (und welcher reiche Mann besäße nicht einen Schwarm von Freunden, die für ihn schwärmen!) behaupteten zwar zu jener Zeit, am Schlusse eines Artikels in der „Allgemeinen Zeitung“, der meine Chiffre trage und also meiner Autorschaft zugeschrieben werden müsse, hätten sie eine boshafte Zitation aus dem „National“ gelesen, welche den Generaladvokaten Hébert und Herrn Benoît Fould betreffe und dahin laute, „daß letzterer der einzige gewesen, der dem Generaladvokaten in der Kammer die Hand gereicht habe, und daß er selber wie der Diskurs eines accusateur public aussähe“! Wahrlich, einen sehr schwächlichen Begriff von meinem Geiste und meiner Vernunft hegen jene guten Leute, welche glauben konnten, daß ich einen Angriff auf einen Mann wie B. Fould wagen würde, wenn ich meine Pfeile dem albernen Köcher des „Nationals“ entlehnen müßte! Eine solche Annahme war wirklich beleidigend für den Verfasser der „Reisebilder“! Nein, jene Zitation, jene misère, floß nicht aus meiner Feder, und gar in bezug auf Herrn Hébert hätte ich mir keine Ungezogenheit damals erlaubt, aus ganz begreiflichen Gründen. Ich wollte nie mit der schrecklichen Person eines Generaladvokaten, dessen diskretionäre Befugnisse selbst die des Ministers übertrafen, etwas zu schaffen haben; es gibt Personen, die man gar nicht erwähnen muß, wenn man nicht speziell das Metier eines Demagogen treibt und nach dem Ruhm des Eingesperrtwerden schmachtet. Ich sage dieses jetzt, wo eine solche Erklärung von meinen mutigen und kampflustigen Kommilitonen nicht mißdeutet werden kann. Zur Zeit, wo der Artikel mit der läppischen Zitation aus dem „National“ erschien, enthielt ich mich jeder Erläuterung; ich durfte niemanden das Recht einräumen, mich über einen Artikel zur Rede zu stellen, der anonym erschienen und nur eine Chiffre an der Stirn trug, womit nicht ich, sondern die Redaktion meine Artikel zu bezeichnen pflegte, um administrativen Bedürfnissen zu begegnen, um z.B. die Komptabilität zu erleichtern, keineswegs aber, um einem verehrungswürdigen Publiko, wie eine leicht erratbare Scharade, den Namen des Verfassers sub rosa zuzuflüstern. Da nur die Redaktion und nicht der eigentliche Verfasser für jeden anonymen Artikel verantwortlich bleibt; da die Redaktion gezwungen ist, das Journal, sowohl der tausendköpfigen Leserwelt als auch manchen ganz kopflosen Behörden gegenüber, zu vertreten; da sie mit unzähligen Hindernissen, materiellen und moralischen, täglich zu kämpfen hat: so muß ihr wohl die Erlaubnis anheimgestellt werden, jeden Artikel, den sie aufnimmt, ihren jedesmaligen Tagesbedürfnissen anzumodeln, nach Gutdünken durch Ausmerzen, Ausscheiden, Hinzufügen und Umänderungen jeder Art den Artikel druckbar zu machen, und gehe auch dabei die gute Gesinnung und der noch bessere Stil des Verfassers sehr bedenklich in die Krümpe. Ein in jeder Hinsicht politischer Schriftsteller muß der Sache wegen, die er verficht, der rohen Notwendigkeit manche bittere Zugeständnisse machen. Es gibt obskure Winkelblätter genug, worin wir unser ganzes Herz mit allen seinen Zornbränden ausschütten könnten – aber sie haben nur ein sehr dürftiges und einflußloses Publikum, und es wäre ebensogut, als wenn wir in der Bierstube oder im Kaffeehause vor den respektiven Stammgästen schwadronierten, gleich andern großen Patrioten. Wir handeln weit klüger, wenn wir unsre Glut mäßigen und mit nüchternen Worten, wo nicht gar unter einer Maske, in einer Zeitung uns aussprechen, die mit Recht eine allgemeine Weltzeitung genannt wird und vielen hunderttausend Lesern in allen Landen belehrsam zu Händen kommt. Selbst in seiner trostlosen Verstümmlung kann hier das Wort gedeihlich wirken; die notdürftigste Andeutung wird zuweilen zu ersprießlicher Saat in unbekanntem Boden. Beseelte mich nicht dieser Gedanke, so hätte ich mir wahrlich nie die Selbsttortur angetan, für die „Allgemeine Zeitung“ zu schreiben. Da ich von dem Treusinn und der Redlichkeit jenes innigst geliebten Jugendfreundes und Waffenbruders, der die Redaktion der Zeitung leitet, zu jeder Zeit unbedingt überzeugt war, so konnte ich mir auch wohl manche erschreckliche Nachqual der Umarbeitung und Verballhornung meiner Artikel gefallen lassen; – sah ich doch immer die ehrlichen Augen des Freundes, welcher dem Verwundeten zu sagen schien: „Liege ich denn etwa auf Rosen?“ Dieser wackere Kämpe der deutschen Presse, der schon als Jüngling für seine liberalen Überzeugungen Not und Kerker er duldet hat, er, der für die Verbreitung von gemeinnützlichem Wissen, dem besten Emanzipationsmittel, und überhaupt für das politische Heil seiner Mitbürger soviel getan, viel mehr getan als Tausende von bramarbasierenden Maulhelden – er ward von diesen als servil verschrien, und die „Augsburger Hure“ war der Schmähname, womit der Pöbel der Radikalen die „Allgemeine Zeitung“ immer titulierte. –

Doch ich gerate hier in eine Strömung, die mich zu weit führen könnte. Ich begnüge mich damit, hier flüchtig angedeutet zu haben, von welcher Art die Unfreiheit war, die ich höherer vaterländischer Rücksichten wegen ertrug, wenn ich für die „Allgemeine Zeitung“ schrieb. In dieser Beziehung begegnete ich mancher Mißdeutung, selbst in Sphären, wo Intelligenz zu herrschen pflegte. Eine solche war z.B. die oben bezeichnete Zitation aus dem „National“, die man mir fälschlich zuschrieb. Da ich nicht gern unschuldig leide, so geriet ich am Ende auf den unseligen Gedanken, das Majestätsverbrechen, dessen man mich beschuldigte, einmal wirklich zu begehen, und bei Gelegenheit der Wahlen zu Tarbes mußte der Deputierte der Hautes-Pyrénées meinen Unmut entgelten. Da ich jedes Unrecht am Ende selbst eingestehe, so will ich zu meiner eigenen Beschämung hier erwähnen, daß der Mann, dem ich jede Kapazität absprach, sich bald darauf als ein Staatsmann von höchster Bedeutung auszeichnete. Ich freute mich darüber.