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Günther Voigt, Die humoristische Figur bei Jean Paul. Halle/Saale: Max Niemeyer Verlag 1934. 98 S.

Vor kurzem hat Kommereil in einem umfangreichen Buch Jean Pauls Gestalt im Spiegel seiner Humoristen aufzufangen gesucht und ihn dabei vor einem weiten und bedeutsamen Hintergrund dargestellt. Jean Paul gefolgt von Schoppe, Leibgeber, Roquairol, Marggraf und seinen übrigen Trabanten erschien als Sachwalter ihrer »unpassenden Verkörperung«. Auch Voigt ist nicht entgangen, daß die humoristische Person bei Jean Paul ein »Spiegelbild des Dichters« ist. Der Hintergrund aber, den er in diesem Spiegel zu fangen sucht, ist weniger der ewiger Verhältnisse und Mißverhältnisse im Reiche der Gestalt als – seinen eigenen Worten nach – ein geisteswissenschaftlicher, der der Bestimmung »des mit Jean Paul erreichten Grades des Humors« dient. Zur Lösung dieser Frage bringt die Einleitung der Schrift, in der Geschichte und Funktion der humoristischen Literatur im achtzehnten Jahrhundert erörtert werden, wertvolle Ansätze. Hier interessiert zumal das Unternehmen, das Frühwerk von Jean Paul gewissermaßen als abgekürzte Wiederholung eines Entwicklungsganges dargestellt zu sehen, der in Formen der Satire (Wieland), des utopisch-rhapsodischen Humors (Hamann) und des elegischen (Hippel) die Elemente gestellt hatte, aus denen dann die Meisterwerke Jean Pauls die Synthese gewonnen haben. Zutreffend hält, in dieser Einleitung, der Autor den Versuchen, allgemein Jean Paul als Typ des Humoristen überhaupt zu fassen, entgegen, dieser Typus sei »nichts anderes als eine konstante Form für wechselnde geistesgeschichtliche Gehalte. Und die ›Gestalt‹ des Humoristen bei Jean Paul ist mithin nicht von dem ›Typus‹, sondern von ihrem Gehalt her zu erfassen.« – Wir wagen nicht zu sagen, daß es dem Verfasser geglückt sei, dies vorzügliche Programm nach seinem ganzen Umfang auszufüllen. Es hätte dazu eines echten historischen Horizonts bedurft, der ja niemals mit dem der bloßen Literatur-, ja auch nur der bloßen Geistesgeschichte zusammenfällt. Insbesondere Jean Pauls Werk aber greift in Tiefen des Volkstums und der Tradition hinab, die von den zeitgenössischen romantischen Philosophen nur trübe und verschwommen gespiegelt werden. Nichtsdestoweniger sind sie es, vor denen der Schluß der ernsten und gediegenen Arbeit das Bild des Dichters zu beschwören sucht. Sie mündet nämlich in eine theologische Interpretation. »Der Dichter Jean Paul tritt ... aus dem Kreise der Poeten der Zeit in den Kreis des Theologen, des Mystikers.« So der Verfasser. Die Apotheose, die er seinem Dichter dergestalt zuteil werden läßt, ist auf die Untersuchungen gestützt, die Benjamin in seinem »Ursprung des deutschen Trauerspiels« über die Allegorie angestellt hat. Kein Kenner des Jean Paulschen Stils kann zweifeln, daß die Allegorie ihm wesensverwandt ist. Doch hätte das nicht hindern, vielmehr nahelegen müssen, aus der geschichtlichen Bestimmung, die die allegorische Betrachtungsweise in der genannten Schrift gefunden hat, Handhaben für die andersartige des Jean Paulschen Standorts zu gewinnen. Leider hat Voigt das nicht unternehmen wollen. Er hat zu kurz gegriffen und sich so um seine besten Chancen oft betrogen. Was hier als theologische Quintessenz einer großen Dichtung erscheint, ist viel weniger das eigentliche Bekenntnis des Poeten als vielmehr die Materie seines Schaffens, die er in seiner Dichtung nicht verklärt, sondern überwunden hat. Die »ganze mitverwandte Welt«, die Jean Paul, wie, nach einem schönen Worte, alles Vollendete ausspricht, ist gewiß weniger die der Schellingschen Spekulation als die irdische, bunte und kümmerliche, reiche und bedrückte des deutschen Lesepublikums um achtzehnhundert, dem Jean Paul eine Habe, die es vergessen hatte, aus der Zeitenferne ans Herz legte.