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Englisch

Ich habe vorhin die agglutinierenden Sprachen mit der flektierenden deutschen Sprache verglichen. Hätte ich die englische Sprache herangezogen, so wäre das Ergebnis noch viel merkwürdiger gewesen. Nicht nur lassen sich leicht englische Sätze zusammenstellen, welche vollkommen den Charakter isolierender Sprachen haben und deren Sinn durch die Wortstellung modifiziert wird; auch aus Dichtern und Historikern solche Beispiele herauszufinden wäre nicht schwer. Ich bin damit bei einer Lieblingsvorstellung wieder angelangt, bei der Annahme nämlich, dass unsere Kultursprachen durch Aufgeben ihrer Flexionssilben nach dem Muster des Englischen sich dem Zustand der chinesischen Sprache in ungleichem Tempo nähern, während seltsamerweise zugleich das Chinesische selbst Agglutinationen und sogar Flexionen anzunehmen beginnt. Ist diese Anschauungsweise richtig, so stößt sie allerdings die Vorstellung der Sprachwissenschaft, dass die Agglutination eine Zwischenstufe zwischen Isolation und Flexion sei, insofern über den Haufen, als dann die sogenannte Flexion unserer Kultursprachen nicht mehr die höchste Sprachform genannt werden könnte, als dann für möglich angenommen werden müßte, dass z. B. das Chinesische vor unserer historischen Kenntnis irgend eine reich flektierte Sprache war. Wir wollen aber schon zufrieden sein, wenn wir nur den einen negativen Gedanken gewonnen haben, dass die Einteilung der Sprachen nach ihrer äußeren Gestaltung nichts sei als eine ohnmächtige Spielerei der Forscher, deren wirklichem Leben nichts entspricht als etwa das, was nachträglich durch die Grammatiker in die Sprachen hineingetragen worden ist. Wollte die Wissenschaft die Tiere danach einteilen, ob ihr Fell längsgestreift oder quergestreift ist, die Pflanzen danach, ob sie rot oder blau blühen, so wäre das ein offenbarer Unsinn; und doch wäre es möglich, dass jahrhundertelang insbesondere quer- oder längsgestreifte Tiere, rote oder blaue Blumen allein Mode würden und so durch die Züchtung der entgegengesetzten Arten der Eindruck des Gegensatzes in der Natur sich vermehrte. Im Menschenleben haben wir ein Beispiel, das keine Hypothese ist. Der erste Januar spielt keine Rolle innerhalb der Haut eines menschlichen Individuums. Die Festsetzung des ersten Januar als des Anfangs für den Jahresabschnitt ist eine rein zufällige, historische, künstliche Tatsache. Und dennoch hat die Einrichtung der Gesellschaft es dahin gebracht, dass dieses Datum durch Zahlungen, Verträge, Kündigungen usw. von entscheidender Wichtigkeit für Leben und Gesundheit der Individuen werden kann. Ähnlich mag es um den Anteil stehen, den das Sprachbewußtsein auf die Ausbildung grammatischer Analogien oder Regeln und dann wieder das Vorhandensein solcher Analogien auf die Weiterentwicklung der Sprache nimmt. Unter dem Einfluß solcher unnachweislichen Strömungen mag es gekommen sein, dass das Deutsche einer Verschärfung analogischer Flexionsformen zustrebt, das Englische einer möglichst flexionslosen Isolierung, das Chinesische (wenn die Berichte mich nicht täuschen) den Anfängen dessen, was man Agglutination genannt hat.