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IV. Zufall in der Sprache

Die Silbe oder der Stamm oder die relative Wurzel, welche "gehen" oder "sich bewegen" bedeutete, konnte mit der Zeit so vielerlei Bedeutungen annehmen, dass der Zufall in der Sprachgeschichte beinahe lustig wird. Das griechische Wort probata mag wirklich einmal "vorwärtsgehende" Wesen bedeutet haben; dann kam es zu dem Sinn von zahmen Herdentieren und wurde endlich zum Begriffe von Schafen und Ziegen, wofür andere Sprachen einen gemeinsamen Begriff gar nicht besitzen. Aus der relativen Sanskritwurzel für gehen (sar) entstand wiederum nicht die Bedeutung Fußgänger oder Vieh, sondern "Fluß"; in etwas veränderter Gestalt hieß das Wort dann "Saft". Ein anderer Sanskritstamm für gehen entwickelte sich einerseits zu "schnell", anderseits zu "Tropfen", welche Bedeutung sich wieder mit Saft berührt. Der lateinische Stamm für gehen (i) führte wiederum, wie es scheint, zu dem Worte und Begriffe, welches in unserem "ewig" vorliegt und welches auch lautlich mit dem griechischen Aeon (aiôn) zusammenhängen mag, und das lateinische Wort für "bewegen" entwickelte sich über das Französische hinweg zu unserem "Möbel".

Ist schon der Lautwandel trotz aller vermeintlichen Gesetze eine Zufallsgeschichte (wer wäre mit allen Lautgesetzen ohne Kenntnis der Zufallsgeschichte dazu gelangt, das englische "tear" und das französische "larme" etymologisch zu vergleichen?), so ist der Bedeutungswandel niemals gesetzlich, sondern immer nur historisch, das heißt zufällig zu begreifen (vgl. Art. Geschichte in meinem "Wörterbuch der Philosophie").