Nebensachen

Nebensachen. (Schöne Künste) Sind Sachen, die in Werken der Kunst der Hauptsache, wodurch die abgezielte Vorstellung wirklich erweckt wird, noch beigefügt werden. In einem historischen Gemälde sind die handelnden Personen die Hauptsache; sie allein, ohne irgend etwas hinzugefügtes, erwecken die Vorstellung der Handlung, die der Zweck des Malers war. Was zur Szene gehört, ist Nebensache. Im Drama sind die Personen, ohne welche die Handlung nicht vollständig könnte verrichtet werden; ihre Charaktere, Anschläge und Unternehmungen, wodurch der Ausgang der Sache seine Bestimmung bekommt, die Hauptsachen. Der Ort, wo die Handlung geschieht, die Personen, die in der Natur der Handlung, in den Verwicklungen, Auflösungen und im Ausgang derselben nichts ändern, sind Nebensachen.

  Es ist eine Hauptregel, die man jedem Künstler vorschreibt und deren Gründlichkeit in die Augen fällt, dass sie durch Nebensachen die Wirkung der Hauptsachen nicht schwächen sollen. Dieses geschieht aber allemal, wenn die Nebensachen hervorstechend oder durch irgend etwas so merkwürdig sind, dass sie die Aufmerksamkeit von der Hauptsach abziehen. So wie eine schöne Person sich schadet, wenn sie in einem Puz erscheint, der das Auge vorzüglich anlocket, dass die Lust, die ihr wesentliche Schönheit zu betrachten, geschwächt wird; so geht es auch mit den Werken der Kunst. Es gibt Portraitmaler, die gewisse Nebensachen in der Kleidung oder dem was zum Puz gehört, mit so großem Fleiß bearbeiten oder so hervorstechend anbringen, dass die Aufmerksamkeit vorzüglich darauf gerichtet und der Hauptsache, dem Gesicht und der Stellung der Person entzogen wird.

 Der Künstler tut überhaupt, in welcher Art er arbeitet, sehr wohl , wenn er sich gar aller Nebensachen, außer denen, wodurch die Hauptsachen vorteilhafter erscheinen, völlig enthält. Denn dadurch erreicht er die wahre Einfalt der Natur, die nichts überflüssiges in ihre Werke bringt. Gerade so viel als genug ist; sollte die Maxime jedes Künstlers bei Erfindung und Bearbeitung seines Stoffs sein. Der Dichter, der zu einer Vorstellung gerade so viel Begriffe zusammengestellt hat als zu Erreichung des Zwecks nötig waren, soll nichts mehr zur Zierrat einfliken. Der dramatische Dichter, der die zur Handlung notwendigen Personen zusammengebracht hat, soll nie auf mehrere denken, um die Schaubühne anzufüllen, vielweniger um Zwischenscenen anzubringen.

 Bisweilen scheint es zwar, dass die Nebensachen notwendig seien, um den Hauptsachen mehr Zusammenhang oder mehr Klarheit zu geben: vielleicht aber kommt es bloß daher, dass der Künstler es in der Anla ge der Hauptsachen versehen hat. Der Maler, der die Anordnung seines Gemäldes nicht mit genugsamer Überlegung gemacht hat, kann freilich oft finden, dass es eine Gruppe von Nebensachen nötig hat, um zwei Hauptgruppen gehörig zu verbinden; aber ein reiferes Nachdenken über seine Anordnung hätte ihm vielleicht eine solche finden lassen, die ihn dieser Nebensach überhoben hätte.

 So findet man oft in dramatischen Stücken, dass dem Dichter bei seinem Plan und bei seiner Anordnung Nebenpersonen nötig gewesen, die dem Zuschauer gewisse Sachen aufklären, ohne welche die Handlung nicht so verständlich wäre. Aber vielleicht ist diese Notwendigkeit eben aus Mangel einer schicklichen Anordnung entstanden.

 Wie dem aber sei, so muss der Künstler sorgfältig darauf bedacht sein, die ihm nötigen Nebensachen so zu stellen und zu bearbeiten, dass sie nicht mehr wirken als sie wirken sollen. Plutarch bemerkt und wir können es in manchen Werk der Alten noch sehen, dass gute Maler und Bildhauer die ihnen notwendigen Nebensachen allemal mit überlegter Nachlässigkeit bearbeitet haben, damit sie das Auge nicht zu sehr anlockten. Sicherer aber ist es, wenn man sie ganz zu vermeiden weiß.

Am unerträglichsten sind die Nebensachen, die zur Hauptsache gar nichts beitragen oder bloß da sind, um das Magere, das in der Hauptsach auffällt, durch irgend etwas zu ersetzen. So sieht man in so vielen Komödien Bediente oder andere Nebenpersonen und so manche von ihnen gespielte Zwischenscenen, die man ohne irgend eine Veränderung in der Hauptsache zu machen, wegreißen könnte. Der Dichter fühlte sein Unvermögen durch die Hauptsache hinlänglich zu interessieren und warf solche Nebensachen hinein, um unterhaltender zu werden.

 In dem Schauspiel selbst, kommen in der Kleidung der Personen und in der Verzierung der Schaubühne viele Nebensachen vor. Auch da ist es höchst nötig, sie nicht glänzend oder hervorstechend zu machen, damit nicht etwas von den Hauptsachen verdunkelt werde.

 


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