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Max Müller

Nur die beneidenswerten Philosophen und Rhetoren, welche allwissend sagen können, was der Gedanke und was die Sprache sei, kennen auch das Verhältnis zwischen Denken und Sprechen. Es sind viele Sätze darüber gesagt worden. Wir anderen wollen uns hier begnügen, das Verhältnis der beiden Worte genauer anzusehen.

Die Ansichten der beneidenswerten Herren stehen einander schroff gegenüber. Die einen lehren, Denken und Sprechen sei ein und dieselbe Sache; die anderen, daß das Denken vom Sprechen verschieden sei. Wenn ich nun wahrscheinlich dazu kommen werde, mich für die erste Behauptung zu entscheiden, so mache ich mir doch wohl nicht die Gründe ihrer Verteidiger zu eigen, so habe ich vielleicht doch eine ganzandere Vorstellung von der wirklichen Sachlage. Insbesondere Max Müller scheint mir zu seiner breiten Darlegung von der Identität des Denkens und Sprechens dadurch zu gelangen, daß er den Wert der Sprache ungeheuer überschätzt, gegen das Denken aber eine natürliche Abneigung fühlt. Und weil er dann doch bemerkt, daß die Sprache ihre Mängel habe, so setzt er aus Bosheit das Denken dem Sprechen gleich. Max Müller war kein Denker. Nur ein eleganter Gelehrter. Immer unzureichend, wo es sich um erkenntnis-theoretische Fragen handelte; trotz seiner Beschäftigung mit Kant. "Alles wahre Wissen beruht auf Klassifikation" und "Jede Wissenschaft muß in ihren eigenen Grenzen bleiben". Solche Kollegienheftweisheit liest man in seiner "Einleitung i. d. vgl. Religionswissenschaft" (deutsche Übersetzung, 2. Aufl., S. 112 u. 330), wo doch, als auf Grenzgebieten verschiedener Disziplinen, von Klassifikation am wenigsten die Rede sein sollte. Sein "Denken im Lichte der Sprache" ist, wo er nicht durch sein Sanskritwissen zu Dank verpflichtet, noch reicher an Banalität und Schlimmerem. In der Vorrede gesteht er ein, daß ihm Orden und Titel ein starker Antrieb waren, mit Orden und Titeln belohnte Werke zu schaffen. So konnte ihm niemals der sprachkritische Gedanke kommen: das Denken sei ebenso elend wie die Sprache. Er war Engländer genug geworden, um seine geliebte Sprachwissenschaft mit einer "vernünftigen" Theologie zu versöhnen und so lehrt er: die Sprache ist ebenso göttlich wie das Denken. Halbgöttlich wenigstens. Darum ist ein so großer Teil des Buchs der Polemik gegen den Darwinismus, gegen die Artgleichheit von Mensch und Tier gewidmet. Darum die Deklamationen gegen die Entwicklungslehre. Schlimme Tiraden wie: "Sprache ist unser Rubicon; und kein Tier wird es wagen, ihn zu überschreiten" (S. 162). Wie viel Humor in dem einen kleinen Satze! Und seine Komik wird noch überboten, wenn Müller (S. 49) ganz richtig sagt, der Franzose habe kein Wort für "stehen", wohl aber den Begriff "stehen", dann aber weise hinzufügt, "zumal wenn er das lateinische stare kennt". Sonst fällt er also um. Max Müller war kein Denker; sein Buch versucht es gar nicht, die Begriffe Sprache und Denken zu analysieren; über den alten Plunder, daß Sprechen und Denken untrennbar seien, kommt er eigentlich nicht hinaus. Wie viel ich dem Gelehrten Max Müller schulde, trotz meinem unziemlichen Lachen, mag der II. Band zeigen.