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Opel bringt …

Sie haben, lieber Stephan Ehrenzweig, vor acht Tagen ganz richtig angemerkt, wie Peter, der Panter, bedenklich knurrte und schnarrte, als er Ihren Bericht über den Bali-Film der Frau Lola Kreutzberg las und redigierte und in Satz gab … Und Sie haben gefragt, was er denn gehabt habe. Dies:

Sie stellen die Heiligkeit der fotografierten Tempeltänze den dummen Texten gegenüber, die in den Film hineingeschneidert worden sind. Rechtens. Sie machen sich über die ein wenig ölige Manier der Vortragenden lustig, die Asien verniedlicht. Gut. Aber nun ist da ein – angebliches – Menschenopfer, dargebracht von einem durch Religion und Chemikalien berauschten Gläubigen, der sich einen Dolch in den Leib stoßen läßt, um diesen Dolch heilkräftig zu machen … Das hat Frau Kreutzberg gefilmt, und Sie bestreiten Ihr mit hohem Pathos das Recht hierzu.

»Sakrileg« lese ich da, und »Alles ist heilig, nur das Heilige nicht« und »Ihre Hände haben nicht gezittert, Frau Kreutzberg?« Lieber Stephan Ehrenzweig –:

In Asien stoßen seit Jahrzehnten Buddha und Ford zusammen. Absolutes Kennzeichen des Kommis: Ford recht zu geben. (»Mal den Brüdern zeigen, was Fortschritt ist!«) Darüber brauchen wir uns hier nicht zu unterhalten, wie grauenhaft der Standpunkt dieser Koofmichs ist, die den Absatz nützlicher Spülklosetts mit geistigen Siegen verwechseln. Aber es scheint mir nicht minder simpel, nun Buddha recht und Ford alle Schuld zu geben. Wo fängt die an, wo hört die auf?

Auflassung eines Tempelgrundstücks: Sakrileg. Durchdringung patriarchalischer Bevölkerungsschichten mit modernem Nachrichtendienst: Sakrileg, Einführung europäischer Kleidung: Sakrileg. Langsam bröckelt das alte Asien ab; etwas Neues entsteht, das wir nicht ganz klar übersehen – Sakrileg? Glaubensopfer fallen, unerhört, aber da eine Schuld hineinzukonstruieren, will mir nicht gefallen.

Ganz abgesehen davon, dass ich den nicht roh schelten kann, der den Tod eines Menschen fotografiert. Ich habe Menschen sterben sehen, an der Mauer und im Krankenbett - glauben Sie mir: nach dem sechsten Mal wird aus Tragödien ein physiologischer Vorgang, Menschen sind so eingerichtet. Und so heiter mir diese Roheitskomödianten vorkommen, die uns da erzählen, wie viele Perser von ihrer manikürten Hand fielen, so peinliche Empfindungen wir bei den Jagdprotzen, bei den Kraftprotzen, bei den Blutprotzen haben –: mir will ein Pathos etwas vergeudet erscheinen, das bei Vorgängen einsetzt, die Notwendigkeit geworden sind. Schlagen Sie der Welt das Alte Testament auf den Kopf: dass es einen merkwürdigen Klang gibt, ist zunächst nicht immer der Fehler der Welt, und ganz neu ist es auch nicht, und das große Staunen darüber, dass Herr Lehmann an der Ecke kein Heiliger ist, will mir nicht eingehen. Es gibt Leute, denen das Gefühl für Feierlichkeit fehlt.

Sehen Sie: dem Katholizismus, dieser Diesseits-Religion, hat es noch nie geschadet, wenn eine seiner heiligen Handlungen gefilmt worden ist, lateinische Menschen sind darin, wie Sie wissen, viel unbefangener und weniger keusch.

Drehen Sie das Rad nicht rückwärts, lieber Ehrenzweig. Der Seifenfritze aus Bunzlau ist mir, wenn er die Welt beglücken will, ein gleiches Greul wie Ihnen. Aber der Apostel, der Ford entgegentritt und fluchend die Rechte erhebt, um Herr über die Maschine zu werden, kann die Erfahrung machen, dass man die Maschine beherrschen muß, um sie zu bändigen. Ein Schraubenschlüssel ist gut. Eine Bibel ist gut. Wie gut … Übrigens brennen zu Tibet in Lhasa im Palast des Dalai-Lama elektrische Birnen. Man kann nichts aufhalten.

Deswegen also hat Peter, der Panter, den Redaktionsboden gescharrt. Er ist nicht gefühllos. Er glaubt nur, dass für den, der die gleichen Gefühle öfter zu sehen bekommt, die Räder der seelischen Maschinerie sichtbar werden.

Technik allein ist noch nicht blasphemisch. Sie zerstört nur alte Magie. Und setzt eine neue.

Peter Panter
Die Weltbühne, 05.04.1927, Nr. 14, S. 562.