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Beschluß und Erinnerung

Am 3. Dezember 1928 jährt sich
zum zweiten Mal der Todestag
Siegfried Jacobsohns

Bei allem, was ich tu und treibe,
denk ich an eine starke Hand;
die lenkt mich heut noch, wenn ich schreibe,
ob auch der Freund uns jäh entschwand.
Der Freund – ich nannt ihn dann und wann:
den kleinen Mann.

Er war uns viel.
Der wollt nicht dämpfen,
er packte wuchtig seine Zeit.
In Lärm und Streit und lauten Kämpfen;
ein Blick – wir wußten gleich Bescheid.
Und kämpf ich heut – wie fehlt mir dann
der kleine Mann!

Er hat uns vieles hinterlassen:
den Dienst am Werk und Schuld und Pflicht.
Ich will im Lieben und im Hassen
so tun wie er – stets kann ichs nicht.
Ich hab mich oft in Zweifeln still gefragt:
»Was hätte wohl S. J. dazu gesagt –?«

In seinem Sinn will ich mir Mühe geben:
    die Wahrheit an das helle Taglicht heben –
    aus Liebe streiten – in der Stille leben …
Das sieht von oben freundlich lächelnd
an der kleine Mann.

Theobald Tiger
Die Weltbühne, 04.12.1928, Nr. 49, S. 837,
wieder in: Mona Lisa, auch u.d.T. »Erinnerung«.